Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu vereinfachten Unterhaltsverfahren gem. §§ 645 ff. BGB - Hinweispflichten und Formerfordernisse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch im vereinfachten Unterhaltsverfahren nach §§ 645 ZPO besteht grundsätzlich eine gerichtliche Hinweispflicht entsprechend § 139 Abs. 2 ZPO; dies gebietet das Gebot fairen Verfahrens.

2. Zur formgerechten Erhebung des Einwandes der vollständig fehlenden Leistungsfähigkeit unter Verwendung des amtlichen Vordrucks in der seit 1.1.2002 geltenden Fassung.

 

Normenkette

ZPO § 139 Abs. 2, § 648 Abs. 2 S. 3, § 659

 

Verfahrensgang

AG Schwetzingen (Beschluss vom 21.03.2006; Aktenzeichen III FH 18/05)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des AG - FamG - Schwetzingen vom 21.3.2006 - III FH 18/05 - aufgehoben.

II. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 3.755 EUR.

 

Gründe

I. Das Antrag stellende Land hat auf der Grundlage des § 7 UVG beim AG - FamG - Festsetzung von Unterhalt für das am 16.4.2004 geborene Kind C.E. des Antragsgegners im vereinfachten Verfahren beantragt, und zwar für die Zeit ab 1.1.2005 i.H.v. monatlich 122 EUR, ab 1.7.2005 i.H.v. monatlich 127 EUR und ab Dezember 2005 in Höhe des Regelbetrags. Der Antrag ist dem Antragsgegner am 22.12.2005 zugestellt worden. Bereits am 11.1.2006 - und damit vor Ablauf der Monatsfrist (vgl. §§ 649 Abs. 1 S. 1, 647 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 ZPO) - hat das AG antragsgemäß einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss erlassen. Am 23.1.2006 (Montag) hat der Antragsgegner gegen den Antrag unter Verwendung des amtlichen Formulars Einwendungen erhoben und geltend gemacht, dass er auf Grund Arbeitslosigkeit leistungsunfähig sei; er beziehe derzeit Arbeitslosengeld II. Am 24.1.2006 und 27.1.2006 reichte der Antragsgegner zum Beleg Bescheide über das Arbeitslosengeld II vom 12.8.2005 und 25.1.2006 nach. Am 27.1.2006 wurde dem Antragsgegner der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 11.1.2006 zugestellt. Am 6.2.2006 hat der Antragsgegner gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde hat das AG am 16.2.2006 abgeholfen, da der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 11.1.2006 versehentlich vor Ablauf der Einwendungsfrist ergangen sei. Am 21.3.2006 hat das AG anschließend erneut antragsgemäß einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss erlassen. Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am 27.3.2006 zugestellt, der Antragsgegner hat hiergegen am 6.4.2006 beim OLG Beschwerde eingelegt. Das AG hat dieser Beschwerde im weiteren Verfahren nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Gemäß § 648 Abs. 2 S. 3 ZPO kann der Antragsgegner im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren den Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit erheben, wenn er zugleich unter Verwendung des eingeführten Formulars Auskunft über seine Einkünfte, sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Übrigen erteilt und über seine Einkünfte Belege vorlegt. Gemäß § 648 Abs. 3 sind die Einwendungen zu berücksichtigen, solange der Festsetzungsbeschluss nicht verfügt ist.

Vorliegend hat der Antragsgegner vor Erlass des nunmehr angegriffenen Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses seine vollständige Leistungsunfähigkeit eingewandt und unter Verwendung des amtlichen Formulars vollständig Auskunft über seine Einkünfte (insoweit mit der Erklärung "AlG II" ersichtlich unter Bezug auf die vorgelegten Belege), sein Vermögen und seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Übrigen erteilt sowie durch Vorlage von Bescheiden über das Arbeitslosengeld II über seine (einzigen) Einkünfte - im Jahr 2005 i.H.v. monatlich 345 EUR, seit 2006 i.H.v. monatlich 699 EUR - Belege vorgelegt. Zwar hat er die Einkünfte aus dem Arbeitslosengeld II betragsmäßig nicht in das gem. §§ 648 Abs. 2 S. 3, 659 Abs. 2 ZPO zu verwendende Formular eingetragen, sondern sich ersichtlich auf die vorgelegten Bescheide bezogen; auch belegen diese Bescheide den Bezug des Arbeitslosengeldes II nur für die Zeiträume 1.4.2005 - 30.4.2005 (AS I 53), 1.6.2005 - 30.11.2005 (AS I 57/59/49) und 1.1.2006 - 31.3.2006 (AS I 77 ff.). Die Einkünfteangabe "AlG II" ohne Nennung des Betrags der Einkünfte im Formular selbst war allerdings ersichtlich ein reiner Formularausfüllungsfehler. Aufgrund der im amtlichen Formular abgegebenen Erklärungen und der Art der vorgelegten Belege (vollständige Bescheide für zwei der vorgenannten Zeiträume, für weitere der zuvor genannten Zeiträume nur die Berechnungsbögen von Bescheiden) war auch besonders nahe liegend, dass für die gar nicht belegten Zeiträume (1.1.2005 - 31.3.2005; 1.5.2005 - 31.5.2005; 1.12.2005 - 31.12.2005) lediglich versehendlich keine Belege/Bescheide beigefügt worden sind. Bei dieser Sachlage hätte dem Antragsgegner gem. § 139 ZPO vor einer ihm nachteiligen Unterhaltsfestsetzung ein Hinweis erteilt und Gelegenheit zur Vervollständigung seiner Angaben im Formular (bzgl. der fehlenden Angabe des Betrags der Einkünfte im Formular selbst) sowie zur Nachreichung ...

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