Leitsatz (amtlich)

1. Das Wechselmodell ist - jedenfalls bei bestehendem alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrecht eines Elternteils - rechtssystematisch dem Sorgerecht zuzuordnen.

2. Der Zweck des Umgangs erfordert keinen paritätischen Aufenthalt der Kinder bei beiden Elternteilen.

3. Das Wechselmodell kann nicht gegen den Willen des Elternteils angeordnet werden, der das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht besitzt.

4. Das Praktizieren eines Wechselmodells entspricht nur dann dem Kindeswohl, wenn die Kindeseltern in der Lage sind, die Nachteile des Wechselmodells durch ein hohes Maß an Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft zu reduzieren.

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 19.09.2014; Aktenzeichen 44 F 1772/14)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 19.9.2014 (44 F 1772/14) wird zurückgewiesen.

...

3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Eltern der am 11.1.2006 geborenen J. und des am 8.10.2009 geborenen J.. Der Antragsteller begehrt eine Umgangsregelung, nach der die gemeinsamen Kinder im Ergebnis etwa zwei Drittel ihrer Zeit bei ihm verbringen, hilfsweise die Anordnung eines Wechselmodells.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 21.7.2000 geheiratet und sich im Mai 2011 getrennt. Ein Scheidungsverfahren ist bislang nicht anhängig. Der Antragsteller ist Sicherheits- und Umweltschutzbeauftragter in einem kunststoffverarbeitenden Betrieb. Zum 1.3.2015 reduzierte er seine berufliche Tätigkeit auf 70 %, um mehr Zeit für seine Kinder zu haben. Der Antragsteller wohnt weiter in der Ehewohnung, einem freistehenden Einfamilienhaus mit Garten, das im Alleineigentum der Antragsgegnerin steht. Die Kinder haben dort jeweils ihr eigenes Zimmer. Die Antragsgegnerin ist gelernte Reiseverkehrskauffrau und arbeitet Teilzeit in diesem Beruf sowie im Verkauf eines Winzerbetriebs. Sie bewohnt - nach mehreren Umzügen - eine Wohnung im Haus ihrer Eltern mit Garten. Die Kinder teilen sich ein Zimmer. Die Wohnungen der Kindeseltern liegen laut Google-Maps 550 Meter bzw. sieben Gehminuten voneinander entfernt.

Nach der Trennung praktizierten die Eltern bis September 2013 ein Wechselmodell, das einen zum Teil täglichen Wechsel der Kinder zwischen den Elternhäusern vorsah. Im Juli 2013 stellte die Antragsgegnerin beim Familiengericht Freiburg den Antrag, ihr das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht mit dem Ziel zu übertragen, vom Wechsel- zum Residenzmodell überzugehen. Der Kindesvater trat dem Antrag entgegen. Mit Beschluss vom 27.9.2013 (44 F 2066/13) übertrug das AG - Familiengericht - Freiburg der Kindesmutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder. Eine Sorgerechtsregelung, die der Anordnung des Wechselmodells gleichkomme, sei rechtlich nicht möglich. Das praktizierte Wechselmodell entspreche - auch nach Ansicht der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts - nicht dem Kindeswohl. Der Vater sei zu keiner Modifizierung des aktuellen Modells bereit und habe keinen eigenen Sorgerechtsantrag gestellt. Auf den Beschluss wird Bezug genommen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

In Folge der Sorgerechtsentscheidung wurde der Umgang des Kindesvaters ab Oktober 2013 auf Wunsch der Kindesmutter modifiziert und fand 14-täglich von Freitag 13.00 Uhr bis Montag zur Schule/zum Kindergarten und wöchentlich von Montag 16.30 Uhr bis Dienstag zur Schule/zum Kindergarten sowie in der Hälfte der Ferien statt. Dies bedeutete einen Umgang an fünf von 14 Nächten in der Schulzeit.

Am 9.7.2014 beantragte der Kindesvater beim AG - Familiengericht - Freiburg eine ausdifferenzierte Umgangsregelung, die im Ergebnis außerhalb der Ferienzeit dazu führen würde, dass die Kinder neun von 14 Nächten, also rund zwei Drittel ihrer Zeit, bei ihm verbringen. Durch die seit Oktober 2013 praktizierte Umgangsregelung sei es zu einer Entfremdung zwischen ihm und den Kindern gekommen. Er wolle eine gleichwertige Bezugsperson für seine Kinder bleiben, aber sein Recht auf Umgang werde unzulässig beschnitten. Die praktizierte Regelung entspreche nur den Wünschen der Mutter, nicht aber den Bedürfnissen der Kinder. Er sei bindungstoleranter als die Mutter - er sei insbesondere damit einverstanden, dass diese die Kinder jederzeit bei ihm besuche. Die Kindesmutter trat dem Antrag entgegen und begehrte eine Umgangsregelung entsprechend dem in den letzten zehn Monaten praktizierten Umfang. Der Vater wolle die rechtskräftige Sorgerechtsentscheidung über den Umgang umkehren. Der Vater dränge sich in ihr Leben, indem er mehrmals in der Woche zur Abendessenszeit ohne Vorankündigung bei ihr vorbeikomme, um die Kinder im Treppenhaus zu treffen und mit ihnen zu sprechen.

Das Familiengericht Freiburg setzte mit Beschluss vom 19.9.2014 den Umgang für den Antragsteller überwiegend entsprechend der bisherigen Praxis fest. Weiter ordnete es a...

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