Leitsatz (amtlich)

Die von den Parteien nach § 134 ZPO oder die von Dritten nach § 142 Abs. 1 ZPO eingereichten Original-Urkunden sind nicht Teil der Gerichtsakten. Ein Anspruch auf Akteneinsicht bzw. auf die Erteilung von Abschriften folgt nicht unmittelbar aus § 299 ZPO. Bei Urkunden, die unmittelbar vom Gericht gem. § 142 ZPO bei Dritten angefordert werden, ergibt sich ein Anspruch auf die Anfertigung von Fotokopien aber sowohl aus den Regelungen der §§ 131, 133 ZPO sowie einer analogen Anwendung des § 299 ZPO unter Beachtung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG. § 299 ZPO sieht eine Übersendung der Prozessakten an Prozessbevollmächtigte der Parteien nicht ausdrücklich vor. Die Versendung kann aber nach pflichtgemäßen Ermessen erfolgen, wenn die Akten entbehrlich und der Empfänger vertrauenswürdig ist. Bei der Entscheidung ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für die von den Parteien oder gemäß § 142 ZPO von Dritten eingereichten Urkunden und Unterlagen dann, wenn die Person, zwischen der und dem Gericht das Verwahrungsverhältnis begründet wurde, einer Übersendung der Akten an die Prozessbevollmächtigten zustimmt. Bevor das Gericht eine Übersendung ablehnt, hat es zunächst bei den Dritten anzufragen, ob diese einer Übersendung der Unterlagen an die Prozessbevollmächtigten beider Parteien zustimmen.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 03.05.2002; Aktenzeichen 6 O 144/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 19.07.2012 - 6 O 144/11 - wie folgt geändert:

Den Beklagten sind auf ihren Antrag hin vollständige Kopien der gemäß dem Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 03.05.2002 hereingereichten und beigezogenen Behandlungsunterlagen zu fertigen und ihnen vorzulegen, sofern nicht eine positive Verbescheidung des im Beschwerdeverfahren neu gestellten Antrags der Beklagten auf Überlassung der genannten Original-Behandlungsunterlagen an ihren Prozessbevollmächtigten - unter Beachtung der in den Gründen dargelegten Rechtsauffassung des Senats - erfolgt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig und auch begründet.

1.

Zwar ist dem Landgericht darin zu folgen, dass die von den Parteien nach § 134 ZPO oder die von Dritten nach § 142 Abs. 1 ZPO eingereichten Original-Urkunden nicht Teil der Gerichtsakten sind und ein Anspruch auf Akteneinsicht bzw. auf die Erteilung von Abschriften nicht unmittelbar aus § 299 ZPO folgt.

Ein Anspruch auf die Anfertigung von Fotokopien durch die Geschäftsstelle ergibt sich aber bei Urkunden (zu denen auch die Original-Behandlungsunterlagen von Vor- bzw. Nachbehandlern gehören), die - wie hier - unmittelbar vom Gericht gem. § 142 ZPO bei Dritten angefordert werden, sowohl aus den Regelungen der §§ 131, 133 ZPO sowie einer analogen Anwendung des § 299 ZPO unter Beachtung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG.

§ 131 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass dem vorbereitenden Schriftsatz die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf die in dem Schriftsatz Bezug genommen wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen sind. Der Gegner hat aus § 133 ZPO einen Anspruch auf Ablichtung aller Schriftsätze und deren Anlagen. Wenn die Urkunden gem. § 134 ZPO im Original eingereicht werden, hat der Gegner ein Recht auf Einsichtnahme und darf sich daneben durch die Geschäftsstelle Abschriften fertigen lassen (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, 131 Rnr. 1).

So hat auch das Landgericht ursprünglich mit Beschluss vom 17.10.2011 der Klägerin aufgegeben, sämtliche von den Nachbehandlern über die Nachbehandlung erstellten oder erhaltenen Unterlagen vorzulegen und Kopien von diesen für die Gegenseite einzureichen, soweit diese noch nicht im Besitz der Unterlagen sei. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Klägerin gerade nicht im Besitz der vollständigen Behandlungsunterlagen ihrer Nachbehandler war, erging der Beschluss vom 03.05.2012, mit dem den entsprechenden Zahnärzten gem. § 142 ZPO aufgegeben wurde, die Behandlungsunterlagen im Original dem Gericht vorzulegen, was dann - nach den jeweiligen Erklärungen der Klägerin über die Befreiung von der Schweigepflicht - auch erfolgte.

Wenn der Partei, die im Besitz von Original-Behandlungsunterlagen ist, gem. §§ 131, 133 ZPO aufgegeben werden kann, sowohl von den Schriftsätzen, als auch deren Anlagen, wozu eben auch die vorzulegenden Behandlungsunterlagen (entweder im Original oder in Abschrift) gehören, Abschriften für die Gegenseite einzureichen, muss auch für den Fall, dass Behandlungsunterlagen sich nicht in den Händen der Parteien befinden, sondern von Dritten vorgelegt werden, sichergestellt werden, dass beide Parteien diese Unterlagen nicht nur auf der Geschäftsstelle einsehen können, sondern hiervon auch Fotokopien erhalten, die in diesem Fall von der Geschäftsstelle des Gerichts anzufertigen sind.

Zu einer ordentlichen, verantwortlichen Prozessführung einer Partei gehört die Möglic...

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