Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändungsbeschränkung des aus dem Arbeitsentgelt gebildeten Eigengeldes eines Strafgefangenen. Pfändungs- und Überweisungsbeschluß. weitere sofortige Beschwerde

 

Leitsatz (redaktionell)

Das aus dem Arbeitsentgelt gebildete Eigengeld eines Strafgefangenen unterliegt der Pfändungsbeschränkung des § 51 Abs. 4 und 5 StrVollzG. Es fällt nicht unter die Pfändungsschutzbestimmungen der §§ 850 ff. ZPO.

 

Normenkette

StrVollzG § 51 Abs. 4-5

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Entscheidung vom 15.09.1983; Aktenzeichen 11 T 461/93)

AG Bruchsal (Aktenzeichen 1 M 1502/82)

 

Tenor

1. Die weitere sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluß des Landgerichts Karlsruhe vom 15. September 1993 – 11 T 461/93 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens der weiteren sofortigen Beschwerde trägt der Schuldner/Beschwerdeführer.

3. Der Beschwerdewert wird auf 500,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die weitere sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 ZPO zulässig und insbesondere auch rechtzeitig eingelegt, sie ist jedoch nicht begründet.

Das aus dem Arbeitsentgelt gebildete Eigengeld eines Strafgefangenen unterliegt lediglich der Pfändungsbeschränkung des § 51 Abs. 4 und 5 StrVollzG, nicht aber den Pfändungsschutzbestimmungen der §§ 850 ff. ZPO (ebenso LG Berlin, Rpfleger 1992, 128; LG Itzehoe, Rpfleger 1991, 521; Zöller/Stoeber, ZPO, 18. Aufl., § 850 Rdnr. 16, § 829 Rdnr. 33; Stoeber, Forderungspfändung, 10. Aufl., Rdnr. 137).

Der gegenteiligen Auffassung (z.B. OLG Frankfurt, Rpfleger 1984, 425; LG Karlsruhe NJW-RR 1989, 1536) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Sie wird im wesentlichen mit einer am Willen des Gesetzgebers orientierten Auslegung des Strafvollzugsgesetzes begründet: Dessen Intention sei eine möglichst weitgehende Angleichung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, denen der Strafgefangene unterliegt, an die außerhalb des Vollzugs gegebenen Bedingungen. Dabei solle der Gefangene, soweit nicht unabdingbare Erfordernisse des Vollzugs entgegenstehen, dem freien Arbeitnehmer gleichgestellt werden (Callies/Müller-Dietz, StrVollzG, 4. Aufl., § 43 Anm. 1). Dieser Zielsetzung laufe eine Nichtanwendung der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO zuwider.

Die genannte Auffassung berücksichtigt Sinn und Zweck der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO nicht in hinreichendem Maße. Sinn und Zweck der Pfändungsgrenzen für das Arbeitseinkommen ist es, dem Schuldner die Mittel zu belassen, die für seine Existenz und für den Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Den Maßstab dabei bilden die Bedürfnisse eines in Freiheit lebenden und arbeitenden Menschen (vgl. BVerfG, NJW 1982, 1583).

Der besonderen Situation eines Strafgefangenen wird durch die Vorschriften der §§ 43 ff. StrVollzG hinreichend Rechnung getragen. So muß dem Gefangenen das gemäß § 51 Abs. 4 StrVollzG unpfändbare Überbrückungsgeld verbleiben bzw. der Unterschiedsbetrag gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StrVollzG, solange das Überbrückungsgeld nicht in voller Höhe gebildet ist. Außerdem behält der Gefangene 2/3 seiner monatlichen Bezüge als Hausgeld, § 47 StrVollzG. Lediglich die Bezüge, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden, sind dem Gefangenen zum Eigengeld zuzuschreiben, § 52 StrVollzG. Im vorliegenden Fall geht es allein um die Anwendbarkeit der Pfändungsgrenzen der §§ 850 ff. ZPO hinsichtlich dieses aus dem Arbeitsentgelt gebildeten sogenannten Eigengelds des Beschwerdeführers. Dessen lebensnotwendigen Bedürfnissen tragen die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Rechnung. Er steht nicht schlechter als ein Gefangener, der über kein Arbeitseinkommen verfügt, weil er nicht arbeiten kann oder weil keine Arbeit vorhanden ist. Wenn der Strafgefangene nach der Intention des Gesetzgebers des Strafvollzugsgesetzes möglichst weitgehend dem freien Arbeitnehmer gleichgestellt werden soll, so kann dies nach Auffassung des Senats jedoch nicht zu einer Besserstellung gegenüber dem freien Arbeitnehmer führen, dem durch die Pfändungsgrenzen lediglich die Sicherstellung des Existenzminimums garantiert wird, dem jedoch nicht die Möglichkeit geboten ist, Rücklagen zu bilden. Insoweit sind keine Gründe ersichtlich, das Entgelt eines Strafgefangenen, das die Beträge für Hausgeld, Überbrückungsgeld etc. übersteigt, durch welche seine Mindestbedürfnisse gedeckt werden, den Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO zu unterstellen, weil dies zu einer Besserstellung eines Strafgefangenen gegenüber dem in Freiheit lebenden Arbeitnehmer führen würde, der von seinem unpfändbaren Arbeitseinkommen seinen notwendigen Lebensunterhalt bestreiten muß.

Demnach war die weitere sofortige Beschwerde des Vollstreckungsschuldners mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 610289

NStZ 1996, 377

Rpfleger 1994, 370

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