Leitsatz (amtlich)

Für eine bezifferte Schmerzensgeldklage ist Prozesskostenhilfe schon dann in voller Höhe zu bewilligen, wenn sich der geltend gemachte Betrag des Schmerzensgeldes innerhalb eines gedachten Rahmens (noch) in einer vertretbaren Größenordnung bewegt. Die endgültige Festlegung des als angemessen erachteten Schmerzensgeldes durch das Gericht kann in der Regel erst im Hauptverfahren erfolgen.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 08.10.2010; Aktenzeichen 6 O 139/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG Freiburg vom 8.10.2010 - 6 O 139/09 - wie folgt abgeändert:

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt für die in der Klageschrift vom 18.3.2009 angekündigten Anträge und für die Verteidigung gegen die Widerklage des Beklagten Ziff. 1.

Dem Kläger wird ... beigeordnet.

Der Kläger hat monatliche Raten i.H.v. 225 EUR ab dem 1.11.2010 zu zahlen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach einem Verkehrsunfall vom 17.11.2008 in Bad Krozingen geltend. Er war als Fahrradfahrer an dem Unfall beteiligt. Es kam zu einer Kollision mit einem Pkw, dessen Halter und Fahrer der Beklagte Ziff. 1 war. Die Beklagte Ziff. 2 ist die für das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 1 zuständige Haftpflichtversicherung.

Der Kläger verlangt im Verfahren vor dem LG 3.822,52 EUR materiellen Schadensersatz, 2.000 EUR Schmerzensgeld und 546,69 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten, jeweils mit Zinsen. Die Beklagten sind der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Haftung seien nicht gegeben. Der Beklagte Ziff. 1 verlangt widerklagend von dem Kläger Schadensersatz i.H.v. 55,81 EUR nebst Zinsen, sowie 47 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten.

Mit Beschluss vom 8.10.2010 hat das LG dem Kläger nur teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt, und zwar für folgende Anträge:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.338,15 EUR nebst jährlichen Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 6.12.2008 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung der F. i.H.v. 446,13 EUR nebst jährlichen Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 6.5.2009 freizustellen.

Im Übrigen hat das LG den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers biete nur teilweise Aussicht auf Erfolg, so dass nur insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt werden könne. Unter Berücksichtigung der vom Kläger durch den Unfall erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei ein Schmerzensgeld nur i.H.v. 1.000 EUR, und nicht - wie vom Kläger gefordert - von 2.000 EUR, gerechtfertigt. Außerdem sei der geltend gemachte materielle Schaden in gewissem Umfang zu kürzen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er ist der Auffassung, ihm sei Prozesskostenhilfe für das geltend gemachte Schmerzensgeld in voller Höhe, also i.H.v. 2.000 EUR, zu bewilligen. Auch die Einschränkungen des LG bei der Prüfung des materiellen Schadens seien nicht gerechtfertigt.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen und verteidigen den Beschluss des LG. Sie weisen insbesondere daraufhin, dass eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger aus dem Verkehrsunfall schon dem Grunde nach nicht gegeben sei.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Ihm ist Prozesskostenhilfe für die Klage in vollem Umfang und für seine Verteidigung gegen die Widerklage zu gewähren.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Frist von einem Monat (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegt worden. Auf das Rechtsmittel des Klägers ist die Entscheidung des LG in vollem Umfang in der Beschwerdeinstanz zu überprüfen, soweit das LG teilweise zum Nachteil des Klägers entschieden hat. Der Prüfungsumfang des Gerichts wird im Beschwerdeverfahren nicht durch die Begründung des Beschwerdeführers in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht begrenzt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 571 ZPO Rz. 1, 2).

2. Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 2.000 EUR zu bewilligen. Entgegen der Auffassung des LG bestehen wegen des Schmerzensgeldes hinreichende Erfolgsaussichten i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO auch insoweit, als der geltend gemachte Betrag über 1.000 EUR hinaus geht.

a) Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO). Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhanden Unterlagen mindestens für vertretbar hält, und von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt ist. Hierbei findet grundsätzlich nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage statt, und ...

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