Entscheidungsstichwort (Thema)

Irakisches Personenstandsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Art. 40 des irakischen Gesetzes über das Personalstatut, Gesetz Nr. 188 von 1959, zuletzt geändert durch die Änderungsgesetze Nr. 19/1999 und 22/1999 (irak. PSG) kann eine Ehe, die ohne Zustimmung des Richters vor Vollendung des 18. Lebensjahres geschlossen worden ist, gerichtlich auf Antrag einer Partei aufgelöst werden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass diese Ehe trotz fehlender Ehemündigkeit eines Ehegatten wirksam geschlossen ist.

2. Die Registrierung der Eheschließung nach Maßgabe des Art. 10 irak. PSG wirkt nur deklaratorisch; die Ehe ist auch ohne Eintragung wirksam.

 

Normenkette

irak. PSG Art. 10, 40

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Beschluss vom 25.09.2015; Aktenzeichen 3 F 346/13)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Karlsruhe vom 25.09.2015 (Az.: 3 F 346/13) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.028,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen den Scheidungsausspruch des Beschlusses des AG - Familiengericht - Karlsruhe vom 25.09.2015. Dabei ist zwischen den Beteiligten im Wesentlichen streitig, ob sie am 15.09.1992 oder erst am 17.08.2012 in D./B. im I. wirksam die Ehe geschlossen haben.

Die am ... geborene Antragstellerin war am 15.09.1992, dem Zeitpunkt der von ihr behaupteten Eheschließung, erst 17 Jahre alt. Eine Einverständniserklärung der Eltern zur Eheschließung ist nicht eingeholt worden. Im Jahr 1992 fand in D./B. im I. eine religiöse Eheschließung vor einem Mullah (Imam) in Anwesenheit von zwei Zeugen statt. Nach der religiösen Eheschließung lebte die Antragstellerin zunächst weiter im I.. Im Jahr 1993 reiste sie - zwischenzeitlich volljährig - im Rahmen des Familiennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebte bis zur Trennung im Jahr 2013 mit dem am ... geborenen Antragsgegner als Ehepaar zusammen. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben drei gemeinsame Kinder, nämlich die ...,... und ... geborenen Kinder A., A. und H.. Beide Beteiligten sind kurdischer Abstammung und stammen aus dem N.. Zwischenzeitlich besitzen sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner die deutsche Staatsangehörigkeit.

Unstreitig reisten die Antragstellerin und der Antragsgegner im August 2012 in den I. und suchten dort das Gericht für Personenstandswesen in D. auf, das mit Datum vom 27.08.2012 eine Urkunde mit der Überschrift "Anerkennung einer außergerichtlichen Ehe" erstellte (Urkunde Nr .../2012; I,... und I,...). In der Urkunde heißt es u.a.:

"Nach der Bekanntgabe ihrer Personalien durch den Unterzeichneten hat der Mann erklärt, dass die anwesende Frau seine Ehefrau ist, mit ihr er die Ehe am 15.09.1992 außergerichtlich als sie noch Jungfrau war, aufgrund eines Brautgeldes in Höhe von 19,5 Goldmünzen (21 Karat) im Voraus bezahlt, geschlossen hat .... Daraufhin hat das Gericht die Ehe am 27.08.2012 genehmigt und registrieren lassen."

Die Antragstellerin hat beantragt, die Ehe zu scheiden. Sie hat vorgetragen, dass sie und der Antragsgegner am 15.09.1992 in D. im I. wirksam die Ehe geschlossen hätten. Es sei ein Heiratsvertrag abgeschlossen worden und es gebe auch eine Heiratsurkunde (I,...,...). Die Reise in den I. im Jahr 2012 habe dazu gedient, Ausweise für die Kinder erstellen zu lassen. Die Ehe sei 2012 bereits gescheitert gewesen. Dem Antragsgegner gehe es mit der Verweigerung der Ehescheidung nur darum, die Antragstellerin zur Rückgabe einer Morgengabe zu bewegen, die sie jedoch tatsächlich nie erhalten habe. Der Antragsgegner habe sich selbst am 03.04.2013 außergerichtlich scheiden lassen. Die Privatscheidung sei mit Urteil vom 17.08.2014 des Gerichtes in S. anerkannt worden.

Die Antragstellerin hat beantragt, die am 15.09.1992 vor dem Richter des Gerichts für Personenstandswesen in D./B. im I. unter der Heiratsregisternr .../1992 geschlossene Ehe zu scheiden.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Scheidungsantrag zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, dass die Ehe nicht am 15.09.1992 geschlossen worden sei. Die Beteiligten hätten im Jahr 1992 sowohl eine Heiratsurkunde als auch einen Pass für die Antragstellerin auf der Straße gekauft. Registernummer und Seite der Urkunde seien frei erfunden worden. Die Heiratsurkunde sei mit einem falschen Stempel versehen worden. Der nach islamischen Recht erforderliche, vor dem örtlichen Gericht unter Hinzuziehung von zwei Zeugen abzuschließende Ehevertrag habe nicht vorgelegen. Hintergrund sei gewesen, dass die Antragstellerin über keine gültigen Ausweispapiere verfügt habe und ohne diese und die Eheschließung ein Familiennachzug nach Deutschland nicht möglich gewesen wäre. Es habe auch zum damaligen Zeitpunkt in den Kurdengebieten im I. keine wirkliche Verwaltung gegeben. Da die Eheschließung nicht wirksam gewesen sei, seien die Beteiligten am 27.08.2012 nochmals in d...

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