Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Zur nachträglichen (konkludenten) Genehmigung der widerrrechtlichen Entführung eines Kindes nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen durch ein "Einlassen" des (Mit-)Sorgeberechtigten auf die durch die Entführung geschaffene neue Situation.

  • 2.

    Zur Bindungswirkung der Widerrechtlichkeitsbescheinigung nach Art. 15 HKÜ

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Entscheidung vom 12.06.2006; Aktenzeichen 2 F 126/06)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 12.06.2006 unter 1. - 5. aufgehoben und der Antrag des Antragstellers auf Herausgabe des Kindes M. R., geboren am 28.12.2003, zum Zwecke der sofortigen Rückführung in die USA zurückgewiesen.

  • II.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

  • III.

    Der Beschwerdewert wird auf EUR 3.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist amerikanischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie sind die Eltern des Kindes M. R., geb. am 28.12.2003. Die Eltern sind nicht miteinander verheiratet. In einer gemeinsamen Erklärung vom 09.02.2005 hat der Antragsteller die Vaterschaft anerkannt (Freiwillige Vaterschaftserklärung nach § 7574 des kalifornischen Familiengesetzbuches). Die geschiedene Antragsgegnerin hat zwei weitere Kinder, O. und A., die bei ihr leben. Auch M. R. lebt seit ihrer Geburt bei der Antragsgegnerin, die bis zu ihrem Umzug nach Deutschland in Kalifornien/USA - ...., 25 km entfernt vom Wohnsitz des Antragstellers in ... - ihren Wohnsitz hatte. Am 11.05.2005 reiste sie nach Deutschland aus, wo sie seither mit den drei Kindern wohnt.

Die Antragsgegnerin hatte in Vorbereitung ihrer Ausreise das Einverständnis ihres geschiedenen Ehemannes, des Vaters von O. (A. stammt aus einer anderen Verbindung), der mitsorgeberechtigt ist, eingeholt und gemeinsam mit diesem einen Pass für O. beantragt. Auch für M. R. erhielt die Antragsgegnerin (ohne Mitwirkung des Antragstellers) einen amerikanischen Reisepass, der nach ihrem - insoweit unbestrittenen - Vorbringen für ein Kind unter 14 Jahren in den USA nur dann ausgestellt wird, wenn alle Elternteile, die ein Sorgerecht für das Kind besitzen, bei der Antragstellung persönlich zugegen sind und den Antrag gemeinsam unterschreiben.

Das kalifornische Familiengesetzbuch enthält u.a. zur elterlichen Sorge nichtehelicher Kinder folgende Bestimmungen:

3010.

(a)

The mother of an unemancipated child and the father, if presumed to be the father under Section 7611, are equally entitled to the custody of the child.

....

7611.

A man is presumed to be the natural father of a child if he meets the conditions provided in Chapter 1 (commencing with Section 7540) or Chapter 3 (commencing with Section 7570) of Part 2 or in any of the following subdivisions:

(c)

After the child's birth, he and the child's natural mother have married, or attempted to marry, each other by a marriage solemnized in apparent compliance with law, although the attempted marriage is or could be declared invalid, and either of the following is trues:

...

(d)

He receives the child into his home and openly holds out the child as his natural child.

Der Antragsteller ließ noch vor der Ausreise der Antragsgegnerin, die sie ihm nach seinem Vorbringen nicht mitgeteilt habe, ein gerichtliches Sorgerechtsverfahren in Kalifornien einleiten: Am 10.05.2005 stellte er beim Superior Court of California Antrag auf Feststellung einer elterlichen Beziehung betreffend Sorge- und Besuchsrecht und beantragte ein gemeinsames Sorgerecht. Unter dem 11.05.2005 erging eine gerichtliche Verfügung an die Mutter zur Vorbringung von Einwendungen gegen dieses Klagebegehren des Vaters; zugleich wurde Termin auf 12.05.2005 bestimmt. Als Anhang erließ der Richter eine einstweilige Anordnung, wonach die Mutter die minderjährigen Kinder der Parteien nicht aus dem Bundesstaat Kalifornien entfernen durfte, sowie als weiteren Anhang einen Gerichtsbeschluss, durch den zur Verhinderung einer Kindesentführung angeordnet wurde, dass die Mutter die Kinder nicht ohne schriftliche Erlaubnis des Vaters oder eines Gerichtsbeschlusses aus dem Regierungsbezirk entfernen und mit den Kindern Kalifornien nicht verlassen durfte. Eine Zustellung/Bekanntgabe dieser gerichtlichen Verfügung und Entscheidungen an die Antragsgegnerin erfolgte vor ihrer Ausreise aus den USA nicht, da sie ihren Wohnort bereits verlassen hatte.

Am 02.05.2006 hat der Antragsteller, vertreten durch den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, beim Amtsgericht Karlsruhe nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen die Herausgabe von M. R. zum Zwecke der sofortigen Rückführung in die USA beantragt.

Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe sich seit der Geburt intensiv um das Kind gekümmert. Ihm stehe daher gemäß §§ 3010, 7611 d des kalifornischen Familiengesetzbuches das Mitsorgerecht mit der Antragsgegnerin zu. Durch die Ausreise mit dem Kind habe die Antragsgegnerin sein Mitsorg...

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