Leitsatz (amtlich)

1. Das Familiengericht darf nur dann im vereinfachten Verfahren nach § 155a Abs. 3 FamFG entscheiden, wenn die Mutter in ihrer Stellungnahme zum Antrag auf Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge keinerlei konkrete kindbezogenen Argumente vorträgt.

2. Das vereinfachte Verfahren kommt nicht in Betracht, wenn - jedenfalls im Ansatz - Gründe vorgetragen werden, die im Bezug zum gemeinsamen Kind, zum Eltern-Kind-Verhältnis und/oder konkret zum Verhältnis der beteiligten Eltern und somit im Zusammenhang mit der Einrichtung des Sorgerechts stehen können. Ob diese genannten Gründe die gesetzliche Vermutung nach § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB letztlich erschüttern können, ist für die Frage der Verfahrensart unerheblich und muss der materiell-rechtlichen Prüfung vorbehalten bleiben.

 

Verfahrensgang

AG Singen (Beschluss vom 25.03.2014; Aktenzeichen 2 F 83/14)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Singen vom 25.3.2014 (2 F 83/14) aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG - Familiengericht - Singen zurückverwiesen.

3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind S., geboren am 16.6.2012.

S. stammt aus der nichtehelichen Beziehung des Antragstellers und der Antragsgegnerin. Der Antragsteller hat die Vaterschaft anerkannt. Sorgeerklärungen haben die Eltern nicht abgegeben. Die Eltern haben seit dem Jahr 2010 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt, bis die Antragstellerin im Herbst 2013 mit dem Kind die Wohnung des Antragsgegners in E. verlassen hat und nach S. verzogen ist. S. wohnt bei der Mutter und wird seit seiner Geburt von ihr betreut. Seit Januar 2014 finden Umgangskontakte des Vaters mit dem Kind statt.

Mit Schreiben vom 7.2.2014 hat der Vater beantragt, die gemeinsame elterliche Sorge einzurichten. Die Mutter ist dem Antrag entgegen getreten. Die Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge widerspreche eklatant dem Wohl des Kindes. Der Vater habe sich bis Dezember 2013 überwiegend in F. und nur einmal im Monat in Deutschland bei der Familie aufgehalten. Deshalb habe sich kein Vater-Sohn-Verhältnis entwickeln können. Auf Bitten der Mutter, häufiger und intensiver Kontakt zum Kind aufzunehmen, habe der Vater nicht reagiert. In den Monaten Oktober bis Dezember 2013, nach dem Auszug der Mutter, habe der Vater überhaupt keinen Kontakt zum Kind unterhalten. Der Vater könne deshalb verantwortlich keine Entscheidungen für das Kind treffen. Im Übrigen habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass der Vater wegen des Auslandsaufenthaltes praktisch nicht erreichbar gewesen sei.

Nach richterlichem Hinweis auf § 155a Abs. 3 FamFG wiederholte die Mutter ihren Vortrag.

Das Familiengericht Singen hat sodann im schriftlichen Verfahren mit Beschluss vom 25.3.2014 (2 F 83/14) die gemeinsame elterliche Sorge für S. eingerichtet. Die Mutter habe keine Gründe genannt, die der Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegen stehen. Auf die Entscheidung wird verwiesen.

Die Antragsgegnerin hat gegen diesen ihr am 28.3.2014 zugestellten Beschluss mit am 28.4.2014 beim AG Singen eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin rügt, dass das Familiengericht im vereinfachten Verfahren nach § 155a Abs. 3 FamFG entschieden habe, obwohl sie ausführlich dargelegt habe, dass die Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl widerspreche. Das Familiengericht müsse die Vermutungsregelung des § 1626a Abs. 2 Satz 2 BGB behutsam anwenden. Es bestehe nach wie vor kein Vater-Sohn-Verhältnis; S. sehe seinen Vater einmal monatlich für ein bis zwei Stunden. In Hinblick darauf, dass er in das Leben des Kindes nicht eingebunden sei und über die Belange des Kindes nicht Bescheid wisse, könne der Vater verantwortlich keine sorgerechtlichen Entscheidungen treffen. Schließlich bestehe zwischen den Eltern keine Einigungsbasis und sie könnten nicht miteinander reden. Jedes Gespräch eskaliere innerhalb kürzester Zeit.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des AG - Familiengerichts - Singen vom 25.3.2014 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge abzuweisen, jedenfalls die Sache an das Familiengericht Singen zurückzuverweisen.

Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die Antragsgegnerin habe keine Gründe vorgetragen, die einer gemeinsamen elterlichen Sorge entgegen stehen. Der Antragsteller sei kooperationsbereit und wolle gemeinsam mit der Antragsgegnerin das Sorgerecht zum Wohle des Kindes ausüben. Er habe regelmäßig (begleiteten) Umgang mit seinem Sohn und eine gute Beziehung zu ihm.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze d...

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