Leitsatz (amtlich)

Der Betreuer ist nur dann zur Stellung eines Strafantrags für den Betreuten befugt im Sinne des § 77 Abs. 3 StGB, wenn ihm dieser Aufgabenkreis entweder ausdrücklich oder im Rahmen einer Betreuungsanordnung für alle persönlichen Angelegenheiten des Betreuten übertragen wurde. Die Übertragung der Aufgabenkreise Vermögenssorge, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung sowie Vertretung gegenüber Körperschaften, Behörden und Rechtsanwälten reicht weder jeweils für sich noch in der Gesamtschau aus.

 

Normenkette

StGB § 77 Abs. 3; BGB § 1896

 

Gründe

I. Das AG verurteilte den Angekl. am 13.10.2011 wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Angekl. am 20.8.2010 seine zum damaligen Zeitpunkt 89-jährige Mutter, die spätere Geschädigte, dazu veranlasste, ihm eine notariell beglaubigte Generalvollmacht auszustellen. Unter Verwendung der Vollmacht löste der Angekl. Ende August 2010 ohne Wissen und Wollen der Geschädigten die bestehenden Konten und Sparbücher der Geschädigten auf und verwendete das vorhandene Vermögen in Höhe von ca. 30.000 EUR für eigene Zwecke.

Auf die Berufung des Angekl. stellte das LG durch Beschluss vom 9.8.2012 das Verfahren gemäß § 206a StPO, weil es an dem gemäß § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 247 StGB erforderlichen Strafantrag fehle und der Strafantrag auch nicht mehr nachgeholt werden könne. Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der StA, die - zumindest vorläufig - Erfolg hat und zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt.

II. Der Entscheidung der Berufungskammer liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Für die Geschädigte war auf Anregung ihres Enkels vom 8.8.2010 beim AG S. ein Betreuungsverfahren eingeleitet worden, in dem der vom Betreuungsgericht beauftragte Sachverständige am 19.8.2010 ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Frage der Betreuungsnotwendigkeit erstattete. Der Sachverständige kam darin zu dem Ergebnis, dass die Geschädigte an einer senilen Demenz leide und auf Dauer nicht mehr in der Lage sei, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Durch Beschluss des AG S. vom 3.9.2010 wurde eine ehrenamtliche Betreuerin für die Bereiche Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern bestellt. Mit Schreiben vom 18.10.2010 setzte die Betreuerin das AG S. von den Kontoauflösungen durch den Angekl. in Kenntnis und bat zugleich um ihre Entpflichtung. Mit Schreiben vom 26.10.2010 übersandte die Direktorin des AG S. die Betreuungsakten der StA und bat um Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Angekl. wegen des Verdachts einer Vermögensstraftat zum Nachteil seiner Mutter. Durch Beschluss des AG S. vom 11.11.2010 wurde die bisherige Betreuerin entlassen und eine andere Betreuerin unter Beibehaltung der Aufgabenbereiche bestellt. Weder die frühere noch die derzeitige Betreuerin haben bislang einen Strafantrag gestellt.

III. Die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO liegen nicht vor, weil ein dauernd wirkendes Verfahrenshindernis - zumindest derzeit - nicht besteht (KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., Rdn. 6 zu § 206a). Vorliegend wurde zwar der gemäß § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 247 StGB erforderliche Strafantrag bislang nicht gestellt (nachfolgend Ziffer 1.), diese Handlung kann aber noch nachgeholt werden (nachfolgend Ziffer 2.).

1. Das LG geht zunächst zutreffend davon aus, dass das Schreiben der Direktorin des AG vom 26.10.2010 nur als Strafanzeige, nicht aber als Strafantrag im Sinne des § 77 StGB anzusehen ist. Das Betreuungsgericht ist zwar unter den Voraussetzungen der §§ 1846, 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 77 Abs. 3 StGB befugt, für den Betroffenen einen Strafantrag zu stellen (S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 28. Aufl., Rdn. 19 zu § 77). Dies setzt aber voraus, dass sich das Betreuungsgericht bewusst ist, eine einstweilige Maßregel an Stelle des noch nicht bestellten oder verhinderten Betreuers zu treffen. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Wie die Direktorin des AG S. gegenüber dem LG mitgeteilt hat, war ihr das Strafantragserfordernis nicht bekannt gewesen. Das Schreiben vom 26.10.2010 kann daher schon mangels eines Vertretungswillens nicht als Strafantrag für die Geschädigte verstanden werden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Betreuungsgericht eine einstweilige Maßregel gemäß § 1846 BGB treffen wollte. Die Direktorin des AG S. kam vielmehr ihrer dienstlichen Pflicht nach, Erkenntnisse aus dem Betreuungsverfahren zur Verfolgung von Straftaten der StA mitzuteilen (vgl. § 311 Satz 1 FamFG, Abschnitt XV/7 der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen - MiZi).

2. Der fehlende Strafantrag kann aber entgegen der Auffassung des LG noch nachgeholt werden.

Das LG vertritt die Auffassung, dass im Hinblick auf die übertragenen Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorg...

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