Entscheidungsstichwort (Thema)

Vor- und Nacherbschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB geht dann, wenn der eingesetzte Nacherbe vor dem Eintritt des Falles der Nacherbfolge, aber nach dem Eintritt des Erbfalles stirbt, sein Recht auf seine Erben über, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist.

2. Für die Annahme eines abweichenden Willens des Erblassers genügt es, wenn sich dieser aus den für die Auslegung einer letztwilligen Verfügung maßgebenden Umständen ergibt. Bei dieser Auslegung kommt es nicht nur auf den Willen an, den der Erblasser bei Testamentserrichtung wirklich gehabt hat, sondern auch auf seinen hypothetischen Willen, den er zu diesem Zeitpunkt gehabt hätte, wenn er die von ihm nicht vorausgesehene Entwicklung der Verhältnisse bedacht hätte, sofern sich in der Testamentsurkunde ein – wenn auch noch so unvollkommener – Anknüpfungspunkt dafür findet.

3. Ausschluss der Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts.

 

Normenkette

BGB § 2108 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Mosbach (Beschluss vom 23.10.1997; Aktenzeichen 2 T 47/97)

 

Tenor

1. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Mosbach vom 23. Oktober 1997 – 2 T 47/97 – wird zurückgewiesen.

2. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 wird der Beschluß des Landgerichts Mosbach vom 23. Oktober 1997 – 2 T 47/97 – aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung – auch über die Kostenerstattung im Verfahren der weiteren Beschwerde – an das Landgericht Mosbach zurückverwiesen.

3. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 300.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Am 26.10.1982 verstarb der am 13.04.1897 geborene Landwirt F. O. W. Er hinterließ folgende letztwillige Verfügung:

„W., den 5. September 1978

Eigenhändiges Testament

Ich setze auf mein Ableben meine Ehefrau zu meiner Erbin ein. Sie soll jedoch nur Vorerbin sein. Ich bestimme ausdrücklich, daß Sie als Vorerbin von keinerlei Beschränkungen befreit wird. Nacherbe soll mein Sohn H. D. sein. Der Nacherbfall tritt nach dem Tode der Vorerbin ein. H.D. ist auch Ersatzerbe.

Auf meinem Tod erhalten meine Kinder C. und K. als Vermächtnis mein Grundstück Flurst. Nr. 7805 im Gewann S. in W. zu je 1/2 Miteigentum.

Auf den Nacherbefall setze ich folgende Vermächtnisse aus

  1. Mein Sohn He. erhält vom Nacherben die Hälfte des dereinstigen Wertes des Wohnhauses. Die Zahlung hat innerhalb 5 Jahren nach dem Eintritt des Nacherbefalles gegebenenfalls in angemessenen Raten zu erfolgen.
  2. Ferner erhält mein Sohn He. das im ersten Obergeschoß stehende Doppelbett mit kompleten Bettzeug
  3. Die Tochter C. erhält das Doppelbett nebst kompletem Bettzeug sowie den Schrank im Nebenzimmer im Erdgeschoß. Im übrigen sind meine Kinder durch Zuwendungen zu Lebzeiten teils mit Geld teils in Grundstücken mit ihren Erb- und Pflichtteilsansprüchen abgefunden.

O. W.

S. W.

Der Nacherbe H. D. W. verstarb am 05.06.1988, nachdem er mit Testament vom 11.01.1983 den Beteiligten zu 1 als seinen Erben eingesetzt hatte. Die Vorerbin S. W. verstarb am 23.02.1996. Sie hat mit öffentlichem Testament vom 05.07.1988 ihre Töchter, die Beteiligten zu 4 und 5, als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt.

Mit Erbschein vom 23.06.1997 stellte das Notariat Walldürn als zuständiges Nachlaßgericht fest, daß der Erblasser F. O. W. von seiner am 23.03.1996 nachverstorbenen Ehefrau S. W. beerbt wurde. Auf die Gründe des Erbscheins (AS. 247 ff.) wird Bezug genommen. Gegen diesen Erbschein legten die Beteiligten zu 1 bis 3 Beschwerde ein. Sie vertraten übereinstimmend die Ansicht, das Anwartschaftsrecht des Nacherben H. D. W. sei mit seinem Tod auf seinen Erben, den Beteiligten zu 1, übergegangen. Die Beteiligten zu 4 und 5 sind der Beschwerde entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 3. Der Beteiligte zu 1 verfolgt seinen Standpunkt weiter, wonach er als Erbe das Nacherben H. D. W. Erbe nach F. O. W. geworden sei. Der Beteiligte zu 3 vertritt demgegenüber nunmehr die Ansicht, F.O. W. habe seine übrigen Abkömmlinge als Ersatznacherben für den Fall des Vorversterbens des Nacherben H. D. W. eingesetzt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 3 sind zulässig. Während die Beschwerde des Beteiligten zu 1 erfolglos bleibt, führt die Beschwerde des Beteiligten zu 3 zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1

  1. Die weitere Beschwerde ist Rechtsbeschwerde und kann nur darauf gestützt werden, daß die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht (§ 27 Abs. 1 FGG). Die Tatsachenwürdigung ist nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gese...

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