Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung der Zuständigkeit in Haftsachen. Änderung des Instanzenzuges. Umdeutung der weiteren Haftbeschwerde. Strafrecht. Zur Notwendigkeit eines förmlichen Übertragungsbeschlusses bei Übertragung der Zuständigkeit in Haftsachen auf ein anderes Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Übertragung der Zuständigkeit für die weiteren Haftentscheidungen auf ein anderes Gericht setzt nach § 126 Abs. 1 S.3 StPO einen entsprechenden Übertragungsbeschluss des zunächst zuständigen Gerichts voraus. Weder die Abgabe des Ermittlungsverfahrens an eine andere Staatsanwaltschaft noch die "einseitige" Übernahme der weiteren Haftentscheidungen durch das Amtsgericht am Sitz der nunmehr zuständigen Staatsanwaltschaft führt zu einer Änderung der haftrichterlichen Zuständigkeit.

2. Die Übertragung der weiteren Haftentscheidungen auf ein anderes Gericht gemäß § 126 Abs. 1 S. 3 StPO bewirkt eine Änderung des Instanzenzuges mit der Folge, dass die dem neuen Haftrichter übergeordneten Beschwerdegerichte für die Entscheidungen über Beschwerden und weitere Beschwerden zuständig werden. Dieser Zuständigkeitswechsel tritt in vollem Umfang auch dann ein, wenn die Zuständigkeitsübertragung erst nach Einlegung des Rechtsmittels erfolgt ist.

3. Eine zum Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels noch nicht erledigte weitere Haftbeschwerde ist wegen der primären Zuständigkeit und Verantwortung des neuen Haftrichters für die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft grundsätzlich als Antrag auf Haftprüfung durch das jetzt zuständige Amtsgericht zu behandeln.

4. Eine Umdeutung der weiteren Haftbeschwerde in einen Haftprüfungsantrag ist ausnahmsweise dann nicht veranlasst, wenn das durch den während des Verfahrens über die weitere Haftbeschwerde eingetretenen Zuständigkeitswechsel zuständig gewordene Amtsgericht zuvor - in der irrigen Annahme seiner Zuständigkeit - bereits eine Entscheidung über die Haftfortdauer getroffen hatte und sich die Sachlage zwischen dieser Entscheidung und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zuständigkeitsbegründung nicht wesentlich geändert hat.

5. Zur Durchsuchung der Räume einer Wohngemeinschaft.

 

Normenkette

StPO § 126 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Aktenzeichen 115 Gs 1464/20)

LG Heidelberg (Entscheidung vom 02.10.2020; Aktenzeichen 3 Qs 11/20 jug.)

 

Tenor

  1. Die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 2. Oktober 2020 wird als unbegründet verworfen.
  2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
 

Gründe

I.

Der 20-jährige Beschuldigte wurde am 10. September 2020 vorläufig festgenommen und befindet sich seit 11. September 2020 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Mannheim M. vom selben Tag ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Dem Beschuldigten liegt nach dem auf die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr gestützten Haftbefehl zur Last, sich als Heranwachsender eines Verbrechens des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB und eines Vergehens des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte u.a. gemäß § 114 StGB schuldig gemacht zu haben. Er habe am 10. September 2020 zusammen mit seinem Bruder Luca Lambrini ≪leer≫ in der gemeinsam bewohnten Wohnung in Edingen-Neckarhausen E. 99,6 Gramm Kokain mit einem Anteil von mindestens 10 % Kokain-Hydrochlorid, 29,1 Gramm Methamphetamin und 31 Gramm Haschisch zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorrätig gehalten. Ferner habe er mit seinem Tatgenossen in der Wohnung bewusst zugriffsbereit ein Klappmesser und eine 50 cm lange Machete aufbewahrt (1). Am Morgen des 10. September 2020 habe der Beschuldigte, der jahrelang aktiver Kick- und Thaiboxer gewesen sei und gegenwärtig Kraftsport betreibe, anlässlich einer von der Polizei durchgeführten Wohnungsdurchsuchung drei Polizeibeamte mit Faustschlägen attackiert und verletzt, wobei ein Beamter einen Nasenbeinbruch erlitten habe (2.).

Mit Verfügung vom 18. September 2020 gab die Staatsanwaltschaft Mannheim M., die die Ermittlungen zunächst geführt hatte, das Ermittlungsverfahren an die für den Tatort und den Wohnort des Beschuldigten zuständige Staatsanwaltschaft Heidelberg H. ab.

Am 22. September 2020 legte der Beschuldigte Beschwerde gegen den Haftbefehl ein. Er ist der Auffassung, dass die bei der Durchsuchung seines Zimmers aufgefundenen Beweismittel nicht verwertbar seien und überdies kein Haftgrund vorliege.

Mit Verfügung vom 25. September 2020 übernahm die Staatsanwaltschaft Heidelberg H. das Ermittlungsverfahren. Auf ihren Antrag übernahm das Amtsgericht Heidelberg H. mit Beschluss vom selben Tage die Haftkontrolle.

Mit Beschluss vom 28. September 2020 half das Amtsgericht Heidelberg H. der Haftbeschwerde nicht ab und legte die Akten dem Landgericht Heidelberg H. zur Entscheidung vor. Das Landgericht hat die Haftbeschwerde mit Beschluss vom 2. Oktober 2020 als unbegründet verworfen, wobei es das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots verneint und den Haftgrund der Fluc...

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