Leitsatz (amtlich)

1. Stirbt in einem Abstammungsverfahren, das sowohl die Anfechtung der Vaterschaft der rechtlichen Vaters als auch die Feststellung der Vaterschaft des mutmaßlichen leiblichen Vaters zum Gegenstand hat, der festzustellende Vater nach Erlass, aber vor Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung, läuft die Rechtsmittelfrist in entsprechender Anwendung von §§ 239, 249 ZPO nicht weiter.

2. Die Erben des festzustellenden Vaters sind in diesem Fall - soweit es um die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters geht - nicht beschwerdebefugt. Die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600b BGB dient allein dem Schutz bestehender sozial-familiärer Beziehungen und soll nicht eine dritte Person davor schützen, als leiblicher Vater festgestellt zu werden.

3. Auch in einem Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft steht den nächsten Angehörigen des festzustellenden Vaters nicht das Recht zu, beim Tod eines Beteiligten die Fortsetzung des Verfahrens nach § 181 Satz 1 FamFG zu verlangen (im Anschluss an BGH FamRZ 2015, 1787 ff.).

 

Normenkette

BGB § 1600b; FamFG §§ 7, 169, 172, 181

 

Verfahrensgang

AG Pforzheim (Beschluss vom 06.07.2016; Aktenzeichen 1 F 136/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Erbengemeinschaft nach J. S. gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Pforzheim vom 06.07.2016 (Az.: 1 F 136/16) wird als unzulässig verworfen.

2. Es wird festgestellt, dass das Verfahren, soweit es die Feststellung der Vaterschaft des Herrn J. S. zum Gegenstand hat, als in der Hauptsache erledigt gilt.

3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt. Der Vergleichsmehrwert wird auf 750.000,00 EUR festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird - beschränkt auf den Ausspruch zu Ziffer 2 der Entscheidung - zugelassen.

 

Gründe

I. Mit der Beschwerde wenden sich die Erben des am ... verstorbenen J. S. gegen die Feststellungen des AG, dass der weitere Beteiligte D. O. nicht der Vater des Antragstellers und dass J. S. der Vater des Antragstellers ist.

Der am ... geborene Antragsteller ist der Sohn der weiteren Beteiligten C. O.. In der Empfängniszeit hatte die Mutter des Antragstellers Geschlechtsverkehr mit Herrn J. S.. Zur Zeit der Geburt ihres Sohnes war sie mit D. O. verheiratet. Gerüchte, denen zufolge nicht Herr O., sondern J. S. sein wahrer Vater sein soll, nahm der Antragsteller zum Anlass, diesem Ende 1998/1999 einen Brief zu senden. 2013 nahm der Antragsteller dann persönlich Kontakt zu J. S. auf. Der Antragsteller, sein rechtlicher Vater D. O. und J. S. verständigten sich im Jahr 2015 darauf, die Vaterschaft durch ein Abstammungsgutachten klären zu lassen. Das Abstammungsgutachten vom 20.08.2015 kam zu dem Ergebnis, dass J. S. mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99999 % der Vater des Antragstellers ist.

Unter dem 20.06.2016 hat der Antragsteller im "allseitigen Einverständnis der Mutter, des biologischen Vaters sowie des Scheinvaters" die Vaterschaft des rechtlichen Vaters D. O. angefochten und im Termin der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2016 die weitere Feststellung begehrt, dass J. S. sein Vater ist. Die weiteren Beteiligten sind diesen Anträgen nicht entgegengetreten. Die Beteiligten sind im Termin der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2016 persönlich angehört worden, wobei auch erörtert worden ist, ob die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB abgelaufen gewesen ist. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Vermerk vom 06.07.2016 (I, 51 ff.) verwiesen.

Mit Beschluss vom 06.07.2016 hat das AG festgestellt, dass Herr D. O. nicht der Vater des Antragstellers ist (Ziffer 1 der Entscheidung). Das AG hat ausgeführt, dass die Frist des § 1600b BGB gewahrt sei, da der Antragsteller erst im Jahr 2015 Klarheit über die Vaterschaft des J. S. erlangt habe. Unter Ziffer 2 hat das AG festgestellt, dass Herr J. S. der Vater des Antragstellers ist. Hinsichtlich der Feststellungen und der Begründung wird auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.

Der Beschluss ist den Beteiligten am 08.07.2016 zugestellt worden. Am 14.07.2016 ist Herr J. S. noch während der laufenden Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels verstorben.

Die Erbengemeinschaft nach J. S. hat mit Telefax vom 07.09.2016 Beschwerde gegen den Beschluss des AG eingelegt, die sich sowohl gegen Ziffer 1 als auch gegen Ziffer 2 der Entscheidung richtet und die damit begründet wird, dass die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft bei Einreichung des Antrages im Jahr 2016 bereits abgelaufen gewesen sei. Hilfsweise wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführer tragen insoweit vor, dass sie keine bestimmte Kenntnis über die Erbfolge gehabt hätten.

Im Beschwerdeverfahren sind die Beteiligten mit Verfügung des Vorsitzenden vom 28.09.2016 darauf hingewiesen worden, dass das Verfahren gemäß § 181 FamFG nur fortgesetzt werde, wenn ein Beteiligter innerhalb einer Frist von e...

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