Entscheidungsstichwort (Thema)

Wesentlicher Bereich elterlicher Sorge; Entzug der Vermögenssorge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge getrennt lebender Eltern gefordert werden muss, gehören im Einzelfall insbesondere die Wahl des Lebensmittelpunktes des Kindes, die Regelung des Umgangs mit dem nicht ständig betreuenden Elternteil, Auslands- und Ferienaufenthalte des Kindes und die Entscheidungen über die Gesundheitsvorsorge, die Wahl von Kindergarten und Schule sowie die religiöse Erziehung.

2. Ein Elternteil eweist sich als erziehungsungeeignet im Teilbereich der Vermögenssorge, wenn er trotz bestehender Leistungsfähigkeit Unterhaltszahlungen nicht freiwillig erbringt und er nach eigenen Angaben hoch verschuldet und kurz vor der Privatinsolvenz offenbar nicht in der Lage, seine eigenen finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1671

 

Verfahrensgang

AG Sinsheim (Beschluss vom 03.03.2009; Aktenzeichen 20 F 267/08)

 

Tenor

I. Auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Sinsheim vom 3.3.2009 (20 F 267/08) wie folgt abgeändert:

1. Die Vermögenssorge für V. B., geb. am ... 2002, wird der Antragstellerin M. B. übertragen.

Im Übrigen verbleibt es bei einem gemeinsamen Sorgerecht.

2. Der weitergehende Antrag der Mutter wird zurückgewiesen.

II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Eltern je zur Hälfte. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die Eltern des Kindes V. B., geb. am ... 2002. Nachdem die Eltern sich im September 2004 voneinander getrennt hatten, wurde die Ehe mit Scheidungsurteil vom 3.4.2007 (AZ. 20 F 291/05) des AG -Familiengericht - Sinsheim geschieden. Hierbei verblieb es bei einem gemeinsamen Sorgerecht. Nunmehr begehrt die Antragstellerin, die elterliche Sorge für V. auf sie allein zu übertragen.

Seit der Trennung ihrer Eltern lebt V. bei ihrer Mutter und wird von dieser betreut und versorgt. In der Vergangenheit hatte der Vater regelmäßigen Kontakt mit V.. Die Eltern haben sich im Termin der mündlichen Verhandlung vom 3.3.2009 vor dem AG - Familiengericht - Sinsheim darauf verständigt, dass dem Vater ein Umgang mit seiner Tochter an jedem zweiten Wochenende von freitags 19.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr zustehen soll. Sie verständigten sich ferner auf eine Umgangsregelung in den Ferienzeiten. In der Folgezeit gelang es den Eltern, diese Umgangsvereinbarung auch in die Praxis umzusetzen.

Die Mutter ist derzeit als Buchhalterin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit i.H.v. 75 % der regulären Arbeitszeit beschäftigt. Der Vater ist seit August 2008 selbständig. Mit Vergleich vom 2.9.2008 (AZ. 20 F 155/08), geschlossen vor dem AG -Familiengericht - Sinsheim, verpflichtete sich der Vater, ab November 2007 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 294 EUR zu bezahlen. In der Vergangenheit war es vermehrt zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Mutter gekommen, nachdem der Vater den titulierten Kindesunterhalt nicht erbracht hatte. Derzeit bezieht die Mutter Leistungen für V. nach dem UVG i.H.v. 158 EUR monatlich. Der Vater zahlt lediglich diesen Betrag an die Unterhaltsvorschusskasse. Weitere Unterhaltszahlungen an die Mutter des Kindes erbringt er nicht.

V. besucht derzeit die 2. Klasse der Grundschule in S./R.

Die Antragstellerin hat ausgeführt, dass eine Kommunikation mit dem Vater überhaupt nicht mehr möglich sei. Der Vater beschimpfe sie aufs Übelste. Hintergrund der Streitereien sei, dass der Vater den Kindesunterhalt für V. nicht zahle, so dass sie Lohnpfändungen habe ausbringen müssen. Er habe in den letzten Jahren mehrmals die Arbeitsstelle gewechselt, um sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen. Für V. interessiere er sich nicht und sei auch nicht in der Lage, sich um sie zu kümmern. An Elternabenden im Kindergarten habe er nicht teilgenommen. Auf seine Unterschrift zwecks Beantragung eines Reisepasses habe sie mehrere Wochen warten müssen.

Die Antragstellerin hat beantragt, das Sorgerecht für das gemeinsame Kind der Parteien V., geb. am ... 2002, auf sie zu übertragen.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er hat ausgeführt, dass die vergangenen Jahre seit der Trennung und Scheidung in Bezug auf die gemeinsame Erziehung von V. gut verlaufen seien. Es sei nicht zutreffend, dass er sich um V. nicht kümmere. Er unternehme viel mit V., mache Ausflüge, gehe in Tierparks und treffe sich mit befreundeten Familien. Er unternehme alle möglichen Anstrengungen, um seine finanzielle Situation zu verbessern. Die Mutter zeige sich jedoch unnachgiebig bei finanziellen Engpässen und drohe damit, dass er V. nicht mehr sehen könne, wenn er keinen...

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