Tenor

1. Die in nachstehender Tabelle aufgeführten Informationen einschließlich der aufgeführten Anlagen werden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft:

[...]

2. Es wird darauf hingewiesen,

  • dass die Parteien, ihre Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständige, sonstige Vertreter und alle sonstigen Personen, die an diesem Rechtsstreit beteiligt sind oder die Zugang zu Dokumenten dieses Verfahrens haben, die als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Informationen vertraulich behandeln müssen und diese außerhalb des gerichtlichen Verfahrens nicht nutzen oder offenlegen dürfen, es sei denn, dass sie von diesen außerhalb des Verfahrens Kenntnis erlangt haben;
  • dass diese Verpflichtungen auch nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens fortbestehen. Dies gilt nicht, wenn das Gericht der Hauptsache das Vorliegen des streitgegenständlichen Geschäftsgeheimnisses durch rechtskräftiges Urteil verneint hat, oder sobald die streitgegenständlichen Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, bekannt oder ohne Weiteres zugänglich werden;
  • dass das Gericht im Falle schuldhafter Zuwiderhandlung gegen den Verpflichteten für jeden Verstoß ein Ordnungsgeld bis zu 100.000 EUR oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verhängen und sofort vollstrecken kann.

3. Der weitergehende Geheimhaltungsantrag der Klägerin in der "Berufungserwiderung (Teil 2 - FRAND)" vom 31. August 2022 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Den Geheimhaltungsanträgen in der "Berufungserwiderung (Teil 2 - FRAND)" der Klägerin vom 31. August 2022 ist teilweise zu entsprechen.

1. Der Beschluss beruht, soweit stattgebend, auf § 145a PatG i.V.m. § 16 Abs. 1, § 20 Abs. 5 Satz 1, 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 und §§ 17, 18 GeschGehG. Er entspricht insoweit unter Anpassung an den Gesetzeswortlaut ("hinweisen" statt "belehren", "vertraulich" statt "streng vertraulich") inhaltlich den zulässigen und begründeten Geheimhaltungsanträgen zu 1. und zu 3. in der "Berufungserwiderung (Teil 2 - FRAND)" der Klägerin vom 31. August 2022.

a) Dass die Parteien ohnehin übereinstimmend von der Geheimhaltungsbedürftigkeit des Inhalts ihrer Lizenzverhandlungen ausgehen und deren Geheimhaltung vereinbart haben, steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Die abweichende Auffassung des Landgerichts Mannheim (GRUR-RR 2023, 285 ff; ablehnend Hoppe, GRUR-RR 2023, 288;Drescher/Dilbaz, GRUR-Prax 2023, 407; Oldekop, GRUR Patent 2023, 130, 131; aA ersichtlich auch Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Kap. D Rn. 147 f) widerspricht der ständigen Praxis des Senats und wird vom Senat nicht geteilt.

Das Rechtsschutzbedürfnis kann schon deshalb nicht verneint werden, weil die beantragte Einstufung als Geschäftsgeheimnis nach § 16 Abs. 1 GeschGehG unter anderem zur Folge hat, dass alle Personen, die an der Streitsache beteiligt sind oder zu deren Dokumenten Zugang haben, der mit Ordnungsmitteln bewehrten Pflicht zur vertraulichen Behandlung der als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Informationen unterliegen (§ 16 Abs. 2, § 17 GeschGehG) und zudem Dritten, die ein Recht auf Akteneinsicht haben, nur ein Akteninhalt zur Verfügung gestellt werden darf, in dem die Geschäftsgeheimnisse enthaltenden Ausführungen unkenntlich gemacht wurden (§ 16 Abs. 3 GeschGehG; zwingend und insoweit über das aus § 299 Abs. 2 ZPO abstrakt abzuleitende Gebot einer Berücksichtigung von Geheimhaltungsinteressen hinaus; vgl. Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., GeschGehG § 16 Rn. 36; Kühnen, aaO Rn. 187). Entgegen der Ansicht des Landgerichts Mannheim (aaO) handelt es sich dabei nicht um bloße, nicht von einem berechtigten Interesse des Antragstellers getragene Rechtsreflexe des Schutzes, den das Gesetz dem Geheimnisinhaber gewährt. Unabhängig davon, ob das Gesetz wertungsmäßig "primär" die Gefahr einer Offenlegung durch den Prozessgegner im Auge hat, gehört es jedenfalls (auch) zu den nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung bezweckten Rechtsfolgen, dass der Geheimnisinhaber mit einer von ihm zu beantragenden Einstufung erreichen kann, dass die Gefahr einer Offenlegung durch sonstige Personen in nach § 16 Abs. 2, 3, §§ 17, 18 GeschGehG vorgesehenen Weise gemindert wird. Der umfassende von der Geheimhaltungspflicht betroffene Personenkreis soll nach der Gesetzesbegründung den Schutz der Inhaber von Geschäftsgeheimnissen vor einer Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses während eines öffentlichen Verfahrens ausdrücklich erweitern (BT-Drs. 19/4724, S. 35). Durch ein Geheimhaltungsabkommen der Parteien lässt sich anders als durch die Entscheidung nach dem Geschäftsgeheimnisgeheimnisgesetz beispielsweise nicht erreichen, dass der Vorstand des Gerichts bei der künftigen Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch nach Abschluss des Verfahrens gem. § 299 Abs. 2 ZPO an die richterliche Einstufung bestimmter Informationen als geheimhaltungsbedürftig gebunden ist, diese Einstufung also - mit den Worten der Gesetzesbegründung - auf die Justizverwaltung "durchschlägt" (BT-Drs. 19/47...

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