Leitsatz (amtlich)

1. Dass der ausgleichspflichtige Ehegatte durch die Abgabe von Versorgungsanwartschaften in weitergehendem Umfang sozialhilfebedürftig wird, als er es ohnehin schon ist, macht die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht grob unbillig.

2. Der Anspruch auf Versorgungsausgleich unterliegt als solcher aus einem familienrechtlichen Verhältnis nicht der Verjährung.

3. Dass der ausgleichspflichtige Ehegatte mit der Geltendmachung des Versorgungsausgleichs nicht mehr gerechnet hat und sich –entsprechend eingerichtet hat” reicht für die Annahme des sog. Vertrauenstatbestands als sog. Umstandsmoment und damit der Verwirkung nicht aus.

 

Normenkette

BGB §§ 194, 242, 1587c

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Aktenzeichen 6 F 269/98)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 17.01.2007; Aktenzeichen XII ZB 168/01)

 

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung gewährt.

2. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG – FamG – Karlsruhe vom 28.9.2000 (6 F …) wird zurückgewiesen.

3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Beschwerdewert wird auf 1.211,76 DM festgesetzt.

5. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die am 13.3.1966 in V. (Kroatien) geschlossene Ehe der am 5.12.1946 geborenen Antragstellerin und des am 10.4.1943 geborenen Antragsgegners wurde auf den am 23.4.1992 zugestellten Scheidungsantrag durch das Urteil des AG – FamG – Karlsruhe vom 3.9.1992 (3 F …) geschieden. Das Urteil ist seit 30.10.1992 rechtskräftig. Im Scheidungsverfahren wurde ein Versorgungsausgleich wegen fehlender Antragstellung nicht durchgeführt.

Der Antragsgegner war am 26.6.1968 aus seiner Heimat nach Deutschland ausgereist, die Antragstellerin ist am 22.12.1968 nachgekommen. Während der Ehe besaßen beide Parteien die kroatische Staatsangehörigkeit. Die Antragstellerin hat im Jahre 1996 durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Sie hat seit 1969 in Deutschland gearbeitet. Der Antragsgegner war seit 26.6.1968 in Deutschland berufstätig. Beide Parteien haben seit dieser Zeit Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung, die Antragstellerin zusätzlich Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung bei der Fa. Siemens AG erworben. Der Antragsgegner bezieht seit 1.11.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die derzeit 1.527,13 DM monatlich beträgt. Er leidet an beiderseitigem Talamus- und Hirnstamminfarkt und ist zu 100 % behindert. Da seine Rente für die Kosten der Heimunterbringung in einem Pflegeheim nicht ausreicht, erhält er ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Antragstellerin ist wieder verheiratet und bezieht ebenfalls eine Erwerbsunfähigkeitsrente.

Die Antragstellerin hat mit am 15.10.1998 beim FamG eingegangenem Schriftsatz vom 7.10.1998 die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten.

Er hat geltend gemacht, die Antragstellerin habe keinen Versorgungsausgleichsanspruch nach deutschem Recht. Ein etwaiger Anspruch sei im Übrigen verjährt bzw. verwirkt. Außerdem sei ein Versorgungsausgleich grob unbillig. Seine Rente werde vom Sozialamt in voller Höhe vereinnahmt, da dieses für seine Lebenshaltungskosten aufkommen müsse. Deshalb müsste die Kürzung seiner Rente zu Gunsten der Antragstellerin vom Steuerzahler getragen werden. Zudem habe diese am 2.3.1998 aus einer Lebensversicherung 16.490 DM erhalten und verfüge über eine Betriebsrente bei der Fa. Siemens i.H.v. derzeit 183 DM.

Die Antragstellerin hält die Einwendungen des Antragsgegners gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht für durchgreifend.

Das FamG hat für die Parteien für die maßgebende Ehezeit vom 1.3.1966 bis 31.3.1992 Auskünfte bei den Versorgungsträgern eingeholt. Nach der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Baden vom 15.12.1998 (I, 55) hat die Antragstellerin monatliche Rentenanwartschaften von 757,83 DM und nach der Auskunft der Fa. Siemens AG vom 22.10.1999 (I, 145) einen unverfallbaren, statischen Anspruch auf eine betriebliche Rentenanwartschaft, bezogen auf das 65. Lebensjahr, i.H.v. monatlich 108,92 DM erworben. Der Antragsgegner verfügt ausweislich der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Niederbayern/Oberpfalz vom 11.1.1999 (I, 73) über eine Anwartschaft auf Vollrente wegen Alters i.H.v. 989,83 DM.

Das FamG hat zur Vorbereitung der Regelung des Versorgungsausgleichs, insbesondere zur Bewertung der betrieblichen Anwartschaft der Antragstellerin bei der Fa. Siemens AG ein schriftliches Rentensachverständigengutachten des Sachverständigen Rainer G. vom 18.8.2000 (I, 161) eingeholt. Der Sachverständige hat für die ehezeitliche betriebliche Versorgungsanwartschaft der Antragstellerin eine monatliche ausgleichspflichtige dynamische Rente von 30,04 DM errechnet.

Mit Beschluss vom 28.9.2000 hat das FamG den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf das der Antragstellerin eine monatliche Rentenanwartschaft i.H.v. 100,98 DM übert...

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