Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshaftung bei der Verletzung von Obhutspflichten durch den Technischen Überwachungsverein

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der TÜV handelt hoheitlich, wenn er ein Gutachten gem. § 21 Abs. 1 StVZO (Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge) erstattet.

2. Wird dem TÜV im Rahmen von § 21 Abs. 1 STVZO ein Fahrzeug vorgeführt, obliegen den verantwortlichen Mitarbeitern Obhutspflichten als drittschützende Amtspflichten gegenüber dem Eigentümer des Fahrzeugs.

3. Wenn ein zu begutachtendes Fahrzeug aus der Halle des TÜV entwendet wird, scheidet eine eigene Haftung des TÜV aus. Bei einer Verletzung von Obhutspflichten haftet das betreffende Bundesland gem. Art. 34 Satz 1 GG.

 

Normenkette

GG Art. 34 S. 1; StVZO § 21 Abs. 1; BGB § 839

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 25.02.2011; Aktenzeichen 3 O 392/10 B)

 

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Konstanz vom 25.2.2011 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten vorher Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

 

Gründe

I. Am 8.1.2010 verbrachte der Kläger einen Pkw Mercedes Benz 420 SE zur Beklagten. Bei der Beklagten handelt es sich um die TÜV ... GmbH, die nach der Straßenverkehrszulassungsordnung erforderliche Untersuchungen durchführt und Gutachten erstellt. Für den vom Kläger vorgeführten Pkw sollte ein sog. Vollgutachten gem. § 21 Abs. 1 StVZO erstellt werden.

Da eine Untersuchung des Fahrzeugs am Nachmittag des 8.1.2010 nicht mehr erfolgen konnte, verblieb der Pkw zur beabsichtigten Untersuchung am nächsten Werktag (Montag, 11.1.2010) in der Halle der Beklagten. Die Autoschlüssel verblieben über Nacht auf einem Schreibtisch in einem der an die Halle angrenzenden Büroräume.

In der Nacht zum 9.1.2010 wurde das Rolltor zur Halle der Beklagten mit Gewalt von unbekannten Tätern aufgebrochen. Die Täter fanden die Fahrzeugschlüssel und entwendeten den Pkw. Dieser wurde später mit erheblichen Beschädigungen in einem Waldstück aufgefunden.

Der Kläger hat erstinstanzlich von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. 7.687 EUR nebst Zinsen verlangt. In dieser Höhe sei ihm durch die Entwendung und Beschädigung seines Fahrzeugs ein Schaden entstanden. Die Beklagte sei für die Entwendung verantwortlich. Sie habe ihren Obhutspflichten im Verhältnis zum Kläger nicht genügt. Insbesondere wäre die Beklagte verpflichtet, Fahrzeugschlüssel von solchen Fahrzeugen, die über Nacht in der Halle blieben, in dem in den Büroräumen vorhandenen Tresor zu verwahren.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Ob die Beklagte passiv legitimiert sei, könne dahinstehen. Es könne offen bleiben, ob vorliegend § 839 Abs. 1 BGB (Amtshaftung) anwendbar sei, wodurch sich eine Passivlegitimation nur für das Land Baden-Württemberg und nicht für die Beklagte ergeben würde. Denn in jedem Fall sei dem verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Unter den gegebenen Umständen habe dieser alles Erforderliche und Zumutbare getan, um das vom Kläger vorgeführte Fahrzeug gegen Entwendung zu sichern. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, generell über Nacht Fahrzeugschlüssel im Tresor aufzubewahren.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält an seinem erstinstanzlichen Antrag fest. Auf der Basis des festgestellten Sachverhaltes sei die rechtliche Bewertung des LG unzutreffend. Der Umstand, dass die Beklagte Plaketten nachts generell im Tresor verwahre, zeige, dass sie mit entsprechenden Diebstahlsgefahren rechne. Daher hätte auch der Fahrzeugschlüssel des klägerischen Pkws im Tresor aufbewahrt werden müssen. Die Ablage der Schlüssel auf einem Tisch im Büro habe den Diebstahl für die unbekannten Täter deutlich erleichtert. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Versuche der Täter, den Tresor aufzubrechen, erfolglos geblieben seien.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des LG. Sie weist zudem auf die weiteren, bereits erstinstanzlich erhobenen, Einwendungen gegen die Klage hin. Insbesondere sei sie nicht passiv legitimiert, da ihr eine eventuelle Obhutspflicht nur als Amtspflicht obliege, so dass nur eine Haftung des Landes Baden-Württemberg in Betracht komme.

II. Die Berufung des Klägers hat nach vorläufiger Auffassung des Senates keine Aussicht auf Erfolg. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erscheint auch im Hinblick auf § 522 Abs. 2 Ziff. 2 und 3 ZPO nicht geboten. Die Klage ist nicht begründet, da die Beklagte nicht passiv legitimiert ist.

1. Die Beklagte hat bei dem streitgegenständlichen Sachverhalt in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes i.S.v. Art. 34 Satz 1 GG gehandelt. Daher kommt gem. Art. 34 Satz 1 GG nur eine Haftung des Staates, in diesem Falle des Landes Baden-Württemberg, in Betracht. Bei einer - möglichen - Amtshaftung findet eine Haftungsverlagerung statt, die eine unmittelbare Haftung der Beklagten ausschließt (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1967 - VII ZR 34/65 -, Rz. 22, zitiert nach Juris; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.10.2006 - 12 U 154/06 -, Rz. 23, zitiert nach Juris).

2. D...

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