Leitsatz (amtlich)

Bei erkannter existenzieller Gefährdung eines Kreditnehmers trifft die Mitglieder des Vorstandes eines Kreditinstituts eine besondere Informations- und Prüfungspflicht im Zuge erneuter Kreditvergabeentscheidungen. Diese erstreckt sich auch auf die Frage der Zuverlässigkeit der weiteren Entscheidungsträger und Kreditsachbearbeiter sowie die Verlässlichkeit der von diesen vorgelegten Informationen und Beurteilungen. Ergeben sich Zweifel oder Unstimmigkeiten, sind eigene Nachprüfungen geboten. Gleiches gilt, wenn die Kreditvergabe ein besonders hohes Risiko, insbesondere für die Existenz des Kreditinstituts, in sich birgt.

Die Zustimmung des Kreditausschusses oder des Verwaltungsrates lässt die Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB bei der Vergabe derart risikobehafteter Folgekredite nicht entfallen.

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts - 22. Große Strafkammer/Wirtschaftsstrafkammer 2 - M.vom 05. März 2003 aufgehoben.

Das Hauptverfahren wird eröffnet. Die Anklage der Staatsanwaltschaft M.vom 05. Juli 2002 wird zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht - 22. Große Strafkammer/Wirtschaftsstrafkammer 2 - M. zugelassen.

 

Gründe

I.

1.

Mit ihrer ursprünglichen unter dem 10.08.1999 zum Landgericht - Wirtschaftsstrafkammer - M. erhobenen (Teil-) Anklage hatte die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten zur Last gelegt, in ihrer Funktion als Vorstandvorsitzender - der Angeschuldigte Dr. R. -, als stellvertretender Vorstandsvorsitzender - der Angeschuldigte S. - , als Ressortleiter Firmenkredite - der Angeschuldigte F. H. - sowie als Hauptabteilungsleiter des Bereichs Firmenkredite, als Verhinderungsvertreter des Vorstands und ab August 1994 zusätzlich als stellvertretendes Vorstandsmitglied - der Angeschuldigte H. H. - der Stadtsparkasse Mannheim in den Jahren 1993 bis 1995 aufgrund eines einheitlichen Tatentschlusses durch eine Vielzahl von Einzelkreditentscheidungen in bewusstem und gewollten Zusammenwirken pflichtwidrig bewirkt zu haben, dass an die A.-Firmengruppe des E. D. (Komplex A.) Kredite in Höhe von insgesamt DM 53,6 Millionen ohne zureichende Prüfung der Bonität der Kreditnehmer und der Sicherheiten vergeben worden seien. In rechtlicher Hinsicht hatte die Staatsanwaltschaft das Geschehen als einheitliches Vergehen der Untreue i.S. einer natürlichen Handlungseinheit bewertet. Mit Beschluss vom 20.12.1999 lehnte die mit der Sache damals befasste Strafkammer 24/Wirtschaftsstrafkammer 4 des Landgerichts M. die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen ab, da insoweit Pflichtverletzungen, jedenfalls von bedingtem Schädigungsvorsatz getragene, die den Vorwurf der Untreue rechtfertigen könnten, nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen seien. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob der Senat mit Beschluss vom 12.03.2002 den Beschluss der Strafkammer vom 20.12.1999 insoweit auf und stellte das Verfahren aus formellen Gründen - mangels wirksamer Anklage - ein.

Mit Schrift vom 05.07.2002 erhob die Staatsanwaltschaft im Komplex A.gegen die Angeschuldigten - nach Beschränkung des Verfahrensstoffes gem. §§ 154 Abs. 1, 154 a Abs. 1 StPO - erneut Anklage, nun wegen Verdachts der Untreue durch Kreditvergaben in vier tatmehrheitlichen Fällen (Tatzeiten: 31.08.1993 [5,81 Mio. DM]; 01.02.1994 [7,3 Mio. DM]; 15.02.1994 [25,5 Mio. DM]; 26.10.1994 [18 Mio. DM]). Mit Beschluss der mit der Sache nun befassten Strafkammer 22/Wirtschaftsstrafkammer 2 des Landgerichts M. vom 5.03.2003 ist die Eröffnung des Hauptverfahrens wiederum - jetzt aus Rechtsgründen - abgelehnt worden. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft erneut mit der - von der Generalstaatsanwaltschaft K. vertretenen- sofortigen Beschwerde mit dem Ziel der Eröffnung des Hauptverfahrens. Die Angeschuldigten und ihre Verteidiger hatten Gelegenheit zur Stellungnahme; der Angeschuldigte Dr. R. beantragt mit Verteidigerschriftsatz vom 28.04.2003, der Angeschuldigte Hoffmann mit Verteidigerschriftsatz vom 20.05.2003, das Rechtsmittel zu verwerfen.

2.

Zum Verfahrensgang und -stand im Übrigen ist festzuhalten:

Den Angeschuldigten wurden bzw. werden über die (Teil-) Anklageschrift vom 10.08.1999 bzw. die nun maßgebliche vom 05.07.2002 hinaus weitere Vergehen der Untreue in den Komplexen R./B. und R./G. vorgeworfen (Anklageschriften vom 27.5.1999, 01.07.1999 und 25.08.1999). Insoweit hatte die Strafkammer 24/Wirtschaftsstrafkammer 4 des Landgerichts M. mit dem eingangs genannten Beschluss vom 20.12.1999 das Hauptverfahren eröffnet. Urteil erging am 24.07.2000. Dieses hob der Bundesgerichtshof auf die Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 15.11.2001 - 1 StR 185/01 - (nur teilweise abgedruckt in BGHSt 47, 148) mit den Feststellungen im Komplex R./G. - insoweit waren die Angeschuldigten vom Vorwurf der Untreue freigesprochen worden - unter Verwerfung der Revision im Übrigen teilweise auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht M. ...

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