Leitsatz (amtlich)

In einem Arzthaftungsprozess hat das zuständige Gericht in besonderem Maße für ein faires Verfahren zu sorgen, weil es typischerweise ein Informationsgefälle zwischen der ärztlichen Seite und dem Patienten gibt, das auszugleichen ist.

Einer medizinisch nicht sachkundigen Partei ist regelmäßig Gelegenheit zu geben, auch nach dem Vorliegen eines gerichtlichen Gutachtens unter Zuhilfenahme eines weiteren Mediziners zu schwierigen medizinischen Fragen noch einmal Stellung zu nehmen.

Es kann zudem geboten sein, zu schwierigen medizinischen Fragen ein schriftliches Sachverständigengutachten anzufordern und es nicht bei einem mündlichen, in einer Verhandlung erstatteten Gutachten zu belassen.

 

Normenkette

ZPO §§ 282, 296, 411, 538

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 29.11.2013; Aktenzeichen 4 O 303/07)

 

Tenor

Auf die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 4 werden das am 29.11.2013 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bielefeld und das Verfahren aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der am ... 20... geborene Kläger macht Schmerzensgeld- und im Wege des Feststellungsbegehrens Schadensersatzansprüche wegen einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung anlässlich seiner Geburt geltend.

Die Kindesmutter geb. am ... 19..., hatte bereits in der Vergangenheit aufgrund eines pathologischen CTG's mittels Sectio entbinden müssen. Während ihrer dritten Schwangerschaft mit dem Kläger wurde sie vom Beklagten zu 4 betreut. Als voraussichtlichen Geburtstermin hatte er den 08.08.2005 errechnet. Die Kindesmutter stellte sich bei ihm 08.08., 09.08. und 10.08.2005 vor. Als der Beklagte zu 4 am 10.08.2005 am Vormitttag etwa gegen 11.20 Uhr ein CTG anfertigte, brach er dies vorzeitig ab und gab der Kindesmutter einen Überweisungsschein für die Geburtsklinik mit dem Hinweis: "Gravidität über dem Termin" und "Oligohydramnie bei Gravidität".

Am Abend desselben Tages begab sich die Kindesmutter sodann in das Krankenhaus der Beklagten zu 1, weil sie das Gefühl hatte, dass die Kindsbewegungen abgenommen hatten. Aufgrund der Befunde eines ab 19.11 Uhr durchgeführten CTG's sowie mehrfacher erfolgloser Weckversuche und Seitenwechsel der Mutter wurde die Beklagte zu 2 als diensthabende Ärztin um 19.40 Uhr verständigt, die Blut entnahm und eine Dopplersonographie durchführte sowie einen vaginalen Befund erhob. Ein erneutes CTG wurde ab 20.25 Uhr durchgeführt. Etwa 20 Minuten nach Abschluss der erfolgten Dopplersonographie wurde die Beklagte zu 3 als zuständige Oberärztin informiert, die einen Oxytocin-Belastungstest und eine Vorbereitung der Kindesmutter für eine Sectio anordnete. Der Belastungstest wurde um 21.10 Uhr durchgeführt.

Als schließlich das CTG um 21.42 Uhr eine silente fetale Herzfrequenz zeigte, wurde nach Eintreffen der Beklagten zu 3 um 21.45 Uhr im Kreißsaal gegen 22.17 Uhr eine Sectio vorgenommen. Der Kläger zeigte sich in einem reduzierten Zustand und wurde intubiert. In diesem Zustand wurde er sodann notfallmäßig in die Kinderklinik des Evangelischen Krankenhauses in C/C überwiesen.

Da der Kläger nach seiner Behauptung unter einer schwerwiegenden geistigen und körperlichen Störung wie fokaler Epilepsie, Mikrozephalie, schwerer psychomotorischer Retardierung und zentralen Sehminderung leidet, hat er von den Beklagten ein Schmerzensgeld von 350.000 EUR, eine monatliche Schmerzensgeldrente von 300 EUR sowie die Feststellung der weiter gehenden Ersatzverpflichtung für sämtliche materiellen Schäden verlangt.

Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Beklagte zu 4 seine Mutter am 10.08.2005 nicht in ausreichender Weise und nicht eindringlich genug unter Hinweis auf die besondere Dringlichkeit ins Krankenhaus eingewiesen habe, obwohl das angefertigte CTG, was der Beklagte nur viel zu kurz durchgeführt habe, erkennbare Auffälligkeiten gezeigt habe. Insoweit habe er dies aber auf dem Einweisungsschein nicht vermerkt. Letztlich habe das Versäumnis zu der mehrstündigen Sauerstoffunterversorgung geführt und die erheblichen Schädigungen verursacht.

Auch die Beklagten zu 1-3 hätten durch das Zuwarten ab 17.30 Uhr, dem Eintreffen der Kindesmutter in der Klinik, viel zu lange gewartet, obwohl schon um 19.11 Uhr ein pathologisches CTG vorgelegen habe. Schon aufgrund der bekannten Probleme einer früheren Schwangerschaft mit pathologischen CTG sei man verpflichtet gewesen, umgehend eine Sectio durchzuführen.

Der Kläger hat sodann mit Schriftsatz vom 05.11.2010. eingegangen beim LG am 08.11.2010, die Klage auf den Beklagten zu 4 erweitert und für diese Klage mit Schriftsatz vom 23.11.2010, eingegangen am 24.11.2010, Prozesskostenhilfe beantragt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 07.12.2010 hat das Gericht verfügt, dass eine einfache Abschrift des Schriftsatzes vom 05.11.2010 u.a. an den Beklagten zu 4 übersandt werden sollte, und zwar zur Stellungnahme zum Prozesskoste...

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