Leitsatz (amtlich)

Wird die Fahrschulausbildung zum Motorradführerschein durch einen bei der Fahrschule angestellten Fahrlehrer geleistet, haftet die Fahrschule im falle einer Sturzverletzung der Fahrschülerin dann nicht nach § 831 BGB, wenn ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Sturz und den - nicht erweislich falschen - Anweisungen des Fahrlehrers nicht bejaht werden kann

Der Zurechnungszusammenhang fehlt, wenn die Fahrschülerin in der Lage war, eine als gefährlich eingeschätzte Ausbildung von sich aus abzubrechen.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 6 O 440/02)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.6. verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Sturzes während ihrer praktischen Motorradausbildung bei der Fahrschule T. GmbH in F., die bei dem Beklagten haftpflichtversichert ist.

Am 6.5.2002 gegen 16.00 Uhr kam die Klägerin während einer Übungsfahrt mit dem Fahrschulmotorrad auf dem Vorplatz des H.-Stadions an der I.-Straße in F. zu Fall und zog sich einen Schienbeinkopfbruch zu. Ausbildender Fahrlehrer war der bei der Versicherungsnehmerin angestellte Zeuge I. Vor dieser Übungsfahrt hatte die Klägerin bereits am 8.4., 22.4., 24.4 und am 29.4. praktische Doppelstunden absolviert.

Die Klägerin hat behauptet, der Zeuge I. habe sie angewiesen, zwischen aufgestellten Pylonen einen Slalomkurs mit einer Geschwindigkeit von 35 km/h zu durchfahren, am Endpunkt der Pylonen um 180 Grad zu wenden und anschließend wiederum im Slalomkurs durch die Pylonen hindurchzufahren, wobei der Zeuge mit ihr in Funkkontakt gestanden habe. Zum Unfallzeitpunkt habe es stark geregnet und die Fahrbahnoberfläche sei sehr nass gewesen. Sie habe sich überfordert gefühlt und sei ohnehin eine ängstliche Fahrschülerin gewesen. Daher habe sie den Zeugen ausdrücklich gebeten, die Übung abzubrechen, was dieser aber abgelehnt habe. Bei dem Wendemanöver sei es dann zu dem Sturz gekommen.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro sowie die Feststellung einer Schadenersatzpflicht des Beklagten für sämtliche künftigen Schäden aus dem Unfall begehrt.

Der Beklagte ist diesem Begehren entgegengetreten. Er hat behauptet, die Klägerin habe lediglich eine Kreisfahrtübung mit einfachem Wendemanöver um den Fahrlehrer herum ausführen sollen, ohne dass dabei Pylone für eine Slalomfahrt aufgestellt worden seien. Die Klägerin habe die Vorderradbremse unvorhersehbar und grundlos zu stark betätigt, so dass sie wegen Überbremsung gestürzt sei. Es habe sich um einen typischen Anfängerfehler gehandelt. Es habe keine Anweisung gegeben, mit 35 km/h zu fahren. Die Straße sei auch nicht nass gewesen. Die Klägerin habe auch nicht darum gebeten, die Übungsfahrt abzubrechen.

Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen, weil ein schuldhafter Vorwurf an den Zeugen I. nicht zu machen sei. Eine Sorgfaltspflichtverletzung könne nicht festgestellt werden, weil die Klägerin beweisfällig geblieben sei.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre bisherigen Anträge weiter. Sie rügt, dass die Kammer vertragliche Ansprüche nicht geprüft und § 831 BGB übersehen habe. Weiter greift sie die Beweiswürdigung des LG an.

Die Klägerin trägt ergänzend zu ihrem Ausbildungsstand vor, dass sie folgende Übungen absolviert habe:

  • Motorrad schieben und nach rechts und links beugen
  • Erklärung über Funktion des Motorrades;
  • auf dem Motorrad sitzen, während es auf dem Ständer steht;
  • anfahren nur mit Kupplung, Stopp and go mit Kupplung, später mit eingelegtem

1. Gang;

  • Fahren eines großen Kreises, Versuch eine 8 zu fahren (= Wenden nach rechts und links);
  • Stopp and go bis zum zweiten Gang;
  • In großem Abstand aufgestellte Pylone umfahren;
  • Am Unfalltag: Stopp and go, Blinken beim Kreisfahren, Umfahren von eng aufgestellten Pylonen mit einer Geschwindigkeit von möglichst 35 km/h

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er bestreitet, dass die Klägerin aufgefordert worden sei, eine Slalomstrecke mit 35 km/h zu fahren. Die Klägerin sei in einem über die Grundstufe hinausgehendem Ausbildungsstadium gewesen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld zu.

a) Schmerzensgeldansprüche wegen einer vertraglichen Pflichtverletzung gem. §§ 280, 253 Abs. 2 BGB n.F. sind nicht gegeben. Der Unfall ereignete sich am 6.5.2002. Insoweit findet § 253 Abs. 2 BGB n.F. keine Anwendung. Gemäß Art. 229, § 8 Abs. 1 EGBGB gilt § 253 Abs. 2 BGB n.F. nur für solche Schadensereignisse, die sich nach dem 31.7.2002 ereignet haben.

b) Aus den gleichen Gründen scheitern auch Schmerzensgeldansprüche aus Gefährdungshaftung nach dem StVG.

c) Eine Haftung des Beklagten kommt ferner nicht nach §§ 823, 847 BGB a.F. i.V.m. § 3 Nr. 1 PflichtVG in Betracht. Zwar galt der Zeuge I. gem. § 2 Abs. 15 S. 2 StVG als Fahrer des vo...

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