Leitsatz (amtlich)

1. Ein Urteil ist gefällt im Sinne des § 309 ZPO, wenn die Richter über die Entscheidung abschließend beraten und abgestimmt haben. Die Beratung ist abschließend, wenn sie aufgrund der prozessualen Situation und mangels eines zu diesem Zeitpunkt absehbaren weiteren Beratungsbedarfs von den beteiligten Richtern als endgültige Entscheidungsfindung verstanden werden kann und verstanden wird.

2. Der Schutzbereich der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht erstreckt sich grundsätzlich nur auf den vom Gesellschaftsvertrag umschriebenen mitgliedschaftlichen Bereich. Er umfasst keine Schäden, die im außergesellschaftlichen Bereich eines Mitgesellschafters entstanden sind.

3. Eine "Schutzgemeinschaft" von Anlegern einer Publikumsgesellschaft kann eine Außen-GbR sein. Das kann etwa daraus gefolgert werden, dass der Gesellschaftsvertrag Regeln der äußeren Verfassung und der Vertretung enthält und Umstände dafür sprechen, dass die Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnehmen sowie über Gesellschaftsvermögen verfügen soll.

4. Erstattet der Kommanditist einer Publikumsgesellschaft gegen den persönlich haftenden Gesellschafter eine Strafanzeige wegen Untreue, stellt dies nur dann einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dar, wenn die Anzeige ohne sachlichen Anlass und/oder in Schädigungsabsicht erfolgt oder wider besseres Wissen unwahre Tatsachenbehauptungen enthält. Der Anzeigenerstatter muss sich Tatsachenkenntnisse des von ihm beauftragten Rechtsanwalts nicht zurechnen lassen, wenn ihm der Inhalt der Anzeige nicht zugänglich gemacht wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 278, 705, 823 Abs. 1-2, §§ 824, 826, 831; StGB §§ 164, 186, 193; ZPO § 309

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 2 O 387/14)

 

Tenor

Die Berufungen der Kläger gegen das am 30.04.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund (Az: 2 O 387/14) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung aus beiden Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Kläger begehren die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten nach einer angeblich von ihr initiierten, gesteuerten und finanzierten Rufmordkampagne. Der Kläger verlangt darüber hinaus die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes.

Er ist Gründer der A-Gruppe (früher: B-Gruppe). Diese besteht aus den im Berufungsantrag genannten Gesellschaften und weiteren Unternehmen, an denen der Kläger und/oder seine Familienangehörigen beteiligt sind. Der Kläger realisierte mit der A-Gruppe ab 1975 zahlreiche Immobilienprojekte, u.a. das Hotel C in X, das (..) Hotel Z in Z, die sog. D-Grundstücke in X und das Q(..)-Passagen E in X. Für die Immobilienprojekte initiierte er mehrere geschlossene Immobilienfonds, u.a. die Klägerin für das Hotel C.

Die Klägerin ist ein vom Kläger 1994 gegründeter geschlossener Immobilienfonds in Form einer Publikums-KG mit dem Geschäftsgegenstand Wiederaufbau des Hotels C in X. Sie ist Eigentümerin der Immobilie Hotel C und des Ergänzungsbaus C Palais in X. Komplementär der Klägerin ist der Kläger. Kommanditisten sind u.a. ca. 4.500 Anleger, die teils unmittelbar als Kommanditisten, teils als Treugeber beteiligt sind. Die Beklagte ist als Kommanditistin mit einer Einlage von fünf Millionen Euro an der Klägerin beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin ist geregelt, dass eine außerordentliche Gesellschafterversammlung auf Antrag von Gesellschaftern oder Treugebern, die mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals vertreten, des Komplementärs, des Treuhandkommanditisten oder des Verwaltungsrats stattfindet (§ 12 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags).

Tochtergesellschaft der Klägerin ist die C Residenz GmbH & Co. KG (Residenz Fondgesellschaft). Diese ist Eigentümerin des Ergänzungsbaus C Residenz. Komplementärin der Tochtergesellschaft ist die F Immobilien Verwaltungs GmbH, deren Geschäftsführer Herr Y ist. Kommanditistin ist wiederum die Klägerin mit 89 % der Anteile.

Das Hotel C und beide Ergänzungsgebäude sind verpachtet. Pächterin des Hotels C ist die Hotel C GmbH, eine Tochtergesellschaft der I AG. Pächterin des C Palais und der C Residenz ist die C Holding GmbH, welche die Flächen untervermietete. Gesellschafter der C Holding GmbH sind nahe Verwandte des Klägers. Ein Ausgangspunkt der Streitigkeit zwischen den Parteien sind Maßnahmen des Klägers in Zusammenhang mit diesen Pachtverhältnissen (s.u.).

Die Beklagte ist eine deutsche Versicherungsgesellschaft. Sie ist u.a. als Finanzdienstleister tätig und investiert in Kapitalanlagen. Sie ist an der Klägerin und an der Z Fondgesellschaft, einem weiteren geschlossenen Immobilienfonds der A-Gruppe, mit einer Einlage von jeweils fünf Millionen Euro beteiligt. Diese Anteile hatte sie 2006 als Rechtsnachfolgerin der ...

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