Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an den Vortrag zur Zulässigkeit einer auf die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung wegen der Verletzung vermögensschützender Normen gerichteten Klage

2. Ein Automobilhersteller haftet für seine Mitarbeiter wegen des Inverkehrbringens von Fahrzeugen mit (unzulässigen) Abschalteinrichtungen gem. § 831 Abs. 1 BGB nur dann, wenn die Mitarbeiter an der zugrunde liegenden strategischen Entscheidung selbst beteilgt waren, was mit dem Status als Verrichtungsgehilfen nicht vereinbar ist, oder wenn sie mit ihrem Verhalten den Vertragshändlern des Herstellers einen (rechtswidrigen) Vermögensvorteil verschaffen wollten.

 

Normenkette

BGB § 249; ZPO §§ 256, 831

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 2 O 170/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 19.10.2019 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger erwarb mit Bestellung vom 15.4.2014 ein Neu-Fahrzeug Q N ... Diesel (mit Automatik-Getriebe) zum Preis von 74.392,01 EUR (brutto), das im April 2015 an ihn ausgeliefert wurde. Das Fahrzeug hat einen Motor des "Typs" 3.0 I TDI V6 EU6, der von der B AG entwickelt und produziert wurde. Nach unwidersprochener Darstellung der Beklagten erfolgte die Montage der von B bezogenen Motoren sowie des von C gelieferten Steuerungsgeräts im Werk M; streitig ist, ob die Steuerungssoftware von der Beklagten selbst bzw. auf ihre Veranlassung fahrzeugspezifisch modifiziert worden ist. Zur Reduktion des Stickoxidausstoßes kommt neben einem SCR-Katalysator (betrieben mit "AdBlue") die Abgasrückführung zum Einsatz. Die Beklagte bzw. die B AG nahm bereits im Herbst 2016 am Fahrzeug des Klägers eine mit dem KBA abgestimmte Maßnahme vor. Mit Bescheid vom 16.5.2018 ordnete das KBA nachträgliche Nebenbestimmungen für Fahrzeuge des Typs Q N ... 3.0 l Diesel Euro 6 an, wobei es auf von der Beklagten verwendete "Strategien" A, B und D Bezug nahm. Mit Änderungsbescheid vom 10.7.2018 nahm das KBA den Bescheid vom 16.5.2018 "vollständig" zurück und ordnete erneut die Entfernung aller unzulässigen Abschalteinrichtungen und die Umrüstung der Fahrzeuge an, und zwar lediglich noch im Hinblick auf die "Strategie" A. In diesem Bescheid heißt es u.a. (S. 4):

... Mit der Strategie A enthält das Motorsteuergerät eine Abschalteinrichtung. Durch Erfassung und Auswertung verschiedener physikalischer Größen wird eine Aufheizstrategie im Emissionskontrollsystem betrieben oder abgeschaltet. Wird die Aufheizstrategie (Strategie A) abgeschaltet, verschlechtert sich das Stickoxidemissionsverhalten.

Solche Abschalteinrichtungen sind nach Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 der VO (EG) ... unzulässig. ...

Gründe gemäß Buchstabe a) liegen nicht vor. Aus den Schaltkriterien lässt sich keine stichhaltige Begründung für einen Motorschutz ableiten.

...

Ausweislich des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils ließ der Kläger die Beklagte durch seine Anwälte zur Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes auffordern. Der Kläger nutzt das Fahrzeug bislang ohne Einschränkung.

Der Kläger hat behauptet, der Motor verfüge über eine Steuerungssoftware, die u.a. den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand erkenne. Die von der B AG bezogenen Motoren nebst Steuerungssoftware seien durch die Beklagte in Absprache mit B und C angepasst worden. Es lägen zumindest "vier Manipulationen" vor, und zwar in Gestalt eines unzulässigen "Thermofensters", wonach die Schadstoffemissionsgrenzen nur bei einem bestimmten Außentemperaturbereich (im vorliegenden Fall zwischen 17 0 und 33 0 C) eingehalten würden, in Gestalt der Nutzung einer "Aufwärmstrategie" (bestimmte Schalt-Einstellung des Automatikgetriebes, die durch fehlende Lenkausschläge ausgelöst und mithin für den Prüfstandbetrieb vorgenommen werde, um die Stickoxidemissionen zu verringern), durch nicht ausreichende Dosierung von Harnstoff (sog. AdBlue) außerhalb des Prüfstandbetriebs sowie durch eine Manipulation der Getriebesteuerung (unterschiedliche Schaltpunktsteuerung; im Prüfstandbetrieb nur der emissionsfreundlichere E-Modus gegenüber dem DSP). Auch das KBA habe in seinem Bescheid vom 16.5.2018 (Anl. R2) diese vier Abschalteinrichtungen (sog. Strategien) festgestellt, die Gegenstand des Rückrufs gewesen seien. Insbesondere darauf stütze er seine Ansprüche, doch lägen noch weitere unzulässige Abschalteinrichtungen vor. Das "Thermofenster" sei nicht von Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a. VO(EG) 715/2007 gedeckt; es sei aus Gründen des Motorschutzes nicht erforderlich; Maßnahmen, die lediglich Verschleißerscheinungen vorbeugte...

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