Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorbeifahrt an Fahrzeugschlange schon vor Beginn der Linksabbiegerspur trotz „Alters” immer noch interessant, weil alltägl. Verhalten

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Haftungsverteilung, wenn ein Pkw schon vor Beginn der Linksabbiegerspur unter Überfahren der durchgezogenen Mittellinie an einer Fahrzeugschlange vorbeifährt und dann mit dem von rechts aus untergeordneter Straße kommenden Querverkehr kollidiert, der durch eine Lücke nach links abbiegen will. (Hier: 1/3 Haftung des Vorfahrtsberechtigten).

 

Normenkette

StVO § 8 Abs. 1 S. 2, § 41 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 O 493/99)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das am 22.2.2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bielefeld werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 1/3 und die Beklagten 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert den Kläger i.H.v. 5.310,38 DM und die Beklagten i.H.v. 11.120,75 DM.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz und ein Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall, der sich am …6.1999 in S. ereignete. Der Kläger befuhr gegen 9.00 Uhr mit seinem Pkw Ford Escort die H. Straße (Bundesstraße 68) aus Richtung B. kommend in Richtung H. Er wollte an der Kreuzung B. Straße nach links in Richtung S. abbiegen. Die Kreuzung befindet sich außerhalb geschlossener Ortschaft. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist auf 70 km/h begrenzt. Der Verkehr wird durch eine Lichtzeichenanlage geregelt. Für Linksabbieger aus Fahrtrichtung B. steht eine Linksabbiegerspur zur Verfügung. Auf der Geradeausspur hatte sich der Verkehr vor der Lichtzeichenanlage gestaut. Der Kläger fuhr an den dort wartenden Fahrzeugen links vorbei und kollidierte auf der Linksabbiegerspur mit dem von dem Beklagten zu 1) geführten, bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Taxi Mercedes-Benz, dessen Halterin die Beklagte zu 2) ist. Das Taxi kam aus der Straße „Q.”. Diese Straße mündet aus der Sicht des Klägers 100 m vor der genannten Kreuzung von rechts in die vorfahrtberechtigte H. Straße ein. Der Beklagte zu 1) wollte nach links in Richtung B. einbiegen und benutzte dazu eine Lücke zwischen den auf der Geradeausspur wartenden Fahrzeugen.

Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine Verstauchung der Hals- und Brustwirbelsäule und war bis zum 9.7.1999 arbeitsunfähig. Er hat ein angemessenes Schmerzensgeld verlangt (Vorstellung: 1.500 DM). Der Pkw des Klägers wurde beschädigt. Der Sachschaden beträgt 15.931,13 DM.

Der Kläger behauptet, er habe zunächst gehalten. Als sich die Fahrzeugschlange bei Grün in Bewegung gesetzt habe, sei er angefahren. Er habe sich auf der Linksabbiegerspur eingeordnet und sei mit mäßiger Geschwindigkeit gefahren. Das Taxi habe er vor dem Unfall nicht gesehen. Die Endlage der Fahrzeuge sei durch die bei den Bußgeldakten befindlichen Fotos dokumentiert. Daraus ergebe sich, dass der Beklagte zu 1) zügig in die bevorrechtigte H. Straße hineingefahren sei.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) habe sich langsam und vorsichtig in die B 68 hineingetastet. Als er etwa 50 cm hinter dem auf der Geradeausspur haltenden, von dem Zeugen F. geführten Lkw hervorgekommen sei, sei der Kläger mit hoher Geschwindigkeit (mindestens 60 km/h) herangekommen. Er habe sich nicht auf der Linksabbiegerspur befunden, sondern vielmehr die vor dem Beginn der Linksabbiegerspur befindliche durchgezogene Linie überfahren. Die Linksabbiegerspur sei i.H.d. Unfallstelle nur 1,4 m breit.

Das LG hat die Bußgeldakten beigezogen und – ohne Beweisaufnahme – der Klage i.H.v. insgesamt 11.120,75 DM (2/3 des materiellen Schadens und 500 DM Schmerzensgeld) – jeweils nebst 4 % Zinsen – stattgegeben. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger begehrt (nur) Ersatz seines weiteren materiellen Schadens von 5.310,38 DM. Die Beklagten erstreben die vollständige Klageabweisung, mindestens jedoch eine Reduzierung des Schmerzensgeldes, weil das LG insoweit die Haftungsquote unberücksichtigt gelassen habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten Js. …/99 StA B. lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich gehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen F. und R. sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. G. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die beiderseitigen Rechtsmittel sind zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Das angefochtene Urteil beruht auf einem schwerwiegenden Verfahrensfehler (§ 539 ZPO). Das LG hat die beiderseitigen Beweisantritte zur Unfallörtlichkeit (Linksabbiegerspur oder teilweise auf der Gegenfahrbahn) und zur Fahrweise beider Fahrzeugführer übergangen. Dieser Verfahrensfehler nötigt ausnahmsweise nicht zu...

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