Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderungsklage hinsichtlich nachehelichen Unterhalts nach Nichtigerklärung einer ehevertraglichen Regelung nach altem Unterhaltsrecht. Umfang der Erwerbsobliegenheit der in Monatsteilzeit mit beruflicher Ortsabwesenheit als Flugbegleiterin arbeitenden Mutter von 11 und 14 Jahre alten Kindern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist ein Ehevertrag wegen Einschränkung des Kindesbetreuungsunterhalts auf der Basis des damals geltenden „Altersphasenmodells” für nichtig erklärt worden, kann ein Abänderungsbegehren nicht auf die durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz veränderten Kriterien zum Betreuungsunterhalt gestützt werden, weil es für die Frage der Nichtigkeit auf Rechtslage, Vorstellungen und Absichten der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt.

2. Auch bei 14 und 11 Jahre alten Kindern ist keine über einen halbschichtigen Umfang hinausgehende Berufstätigkeit geschuldet, wenn die betreuende Mutter als Flugbegleiterin in „Monatsteilzeit” arbeitet (ein Monat vollschichtig, ein Monat überhaupt nicht); denn für eine unregelmäßige und mehrtätigige Betreuung über Nacht stehen keine kindgerechten Einrichtungen zur Verfügung.

3. Das Angebot des barunterhaltspflichtigen Vaters, die Kindesbetreuung während der beruflichen Ortsabwesenheit der Mutter zu übernehmen, widerspricht dem Kindeswohl, wenn die Kinder durch die „Dreiteilung” zwischen den Haushalten von Mutter, Vater und Großeltern wechseln und dadurch ihren Lebensmittelpunkt verlieren würden.

4. Ein Abzug fiktiver Betreuungskosten wegen unentgeltlicher Betreuung der Kinder durch die Eltern der Mutter verstößt nicht gegen das Besserstellungsverbot. Denn bei intakter Ehe hätten die Großeltern ihre unentgeltliche Leistung gegenüber beiden Eheleuten als unbenannte Zuwendung erbracht, während nach Trennung und Scheidung davon auszugehen ist, dass sie ihre Leistung nur noch ihrer Tochter zuwenden wollen. Sind im Ausgangstitel fiktive Kosten der Kindesbetreuung angesetzt worden, kommt deren Reduzierung in Betracht, soweit die Berufstätigkeit unter Berücksichtigung des neuen Unterhaltsrechts nicht mehr als teilweise überobligatorisch angesehen werden kann.

5. Eine Beschränkung des – neben Betreuungsunterhalt bestehenden – Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt nach § 1578b scheidet aus, sofern eine verlässliche Prognose der beruflichen Perspektive des Elternteils erst nach Wegfall der Kindesbetreuung getroffen werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 1570, 1578b; ZPO § 323 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Iserlohn (Urteil vom 15.12.2008; Aktenzeichen 14a F 22/08)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird - unter Zurückweisung der jeweiligen Rechtsmittel im Übrigen - das am 15.12.2008 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Iserlohn abgeändert.

Das Urteil des OLG Hamm vom 7.2.2007 (5 UF 111/06) wird für die Zeit von März 2008 bis einschließlich März 2009 dahin abgeändert, dass der Beklagte in diesem Zeitraum lediglich verpflichtet ist, an die Klägerin einen nachehelichen Unterhalt in monatlicher Höhe von 630 EUR zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1/5 und der Kläger zu 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(gem. § 540 ZPO)

I. Die Parteien streiten um die Abänderung eines Unterhaltstitels.

Sie schlossen am 27.4.1995 die Ehe, aus der die Kinder Philipp (geb. 1995) und Celine (geb. 1998) hervorgegangen sind, die im Haushalt der Beklagten leben. Die Parteien trennten sich im Mai 2003 und sind seit dem 17.1.2007 rechtskräftig geschieden.

Der Kläger ist der Beklagten aufgrund des Senatsurteils vom 7.2.2007 - 5 UF 111/06 - auf der Basis einer konkreten Bedarfsberechnung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in monatlicher Höhe von 1.156 EUR verpflichtet, der wie folgt ermittelt wurde:

Wohnbedarf der Beklagten

1.200 EUR

teilweise gedeckt durch Kindesunterhalt

-200 EUR

ungedeckter Wohnbedarf

1.000 EUR

sonstiger Bedarf

1.900 EUR

Gesamtbedarf

2.900 EUR

Bedarfsdeckung Einkommen der Beklagten netto

1.640 EUR

Fahrtkosten

-270 EUR

(fiktive) Kosten der Kinderbetreuung)

-1.000 EUR

370 EUR

Erwerbstätigenbonus 1/14

-26 EUR

anrechenbares Einkommen

-344 EUR

Wohnwert

1.600 EUR

Abzug wg. Kindesbelange

-200 EUR

anrechenbarer Wohnwert

-1.400 EUR

ungedeckter Bedarf

1.156 EUR

Das dem Vortitel zugrunde liegende Einkommen erzielt die Beklagte - wie auch heute noch - aus einer halbschichtigen Tätigkeit als Flugbegleiterin bei der X. Die bedarfsdeckende Anrechnung eines Wohnwertes i.H.v. monatlich 1.400 EUR hat ihren Grund darin, dass die Beklagte nach der Trennung mit den Kindern in der ehemaligen Ehewohnung (großzügiges Einfamilienhaus), die im Alleineigentum des Klägers steht, verblieben ist und diese seither - vom Kläger geduldet - unentgeltlich nutzte. Im März 2009 zog die Beklagte mit den Kindern um und bewohnt seit April 2009 eine Mietwohnung.

Mit der Abänderungsklage, die er im Wesentlichen auf die neue Rechtslage ab 1.1.2008 stützt, hat der Kläger ein Entfallen seiner Unterhaltsverpflichtung ab 03/2008 ...

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