Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ausbrechen aus einer intakten Ehe ist als ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig beim Berechtigten liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB anzusehen.

2. Der für ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig beim Berechtigten liegendes Fehlverhalten und damit auch für das mangelnde Intaktsein der Ehe die Darlegungs- und Beweislast tragende Verpflichtete hat nur solche konkreten Gegenvorwürfe auszuräumen, die von ihrem Gewicht her geeignet sind, dem Fehlverhalten des Berechtigten den Charakter eines einseitigen Fehlverhaltens zu nehmen.

3. Hierzu gehört aber der erhebliche und ausreichend konkretisierte Vorwurf der Berechtigten, der Verpflichtete habe seit Jahren sexuelle Kontakte zwischen ihnen verweigert, zumal wenn die Parteien unstreitig seit mehreren Jahren nicht mehr sexuell miteinander verkehrt haben, ohne dass hierfür objektive Gründe - etwa ein altersbedingter Verzicht - ersichtlich sind.

 

Normenkette

BGB §§ 1361, 1579 Nrn. 2, 7

 

Verfahrensgang

AG Essen-Borbeck (Urteil vom 11.05.2010; Aktenzeichen 12 F 119/09)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 11.5.2010 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Essen-Borbeck teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagt wird verurteilt, an die Klägerin 2.262 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 366 EUR seit dem 01.06 2009 sowie aus je 316 EUR seit dem 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11. und 1.12.2009 zu zahlen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten einen Betrag von 4.698 EUR zu zahlen.

Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

Die weiter gehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin zu 4/5 und dem Beklagten zu 1/5 auferlegt.

Das Urteil Ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gem. § 540 ZPO)

Die Parteien streiten um Trennungsunterhalt für die Zeit ab Juni 2009.

Die Parteien haben am 30.8.1978 geheiratet. Aus der Ehe sind die inzwischen volljährigen Kinder Daniel, geb. 21.3.1985, und Mario, geb. 11.1.1987, hervorgegangen. Die Parteien trennten sich am 5.6.2009. Die Klägerin, die spätestens seit Anfang Mai 2009 eine außereheliche Beziehung zu dem Zeugen L hatte, ist aus der ehegemeinschaftlichen Wohnung ausgezogen. Bis zur Anmietung einer eigenen Wohnung am 1.12.2009 wohnte sie vorübergehend bei dem Zeugen L. Das Scheidungsverfahren ist unter dem Aktenzeichen 12 F 121/11 beim AG Essen-Borbeck anhängig.

Die am 12.5.1959 geborene Klägerin ist gelernte Modistin. Während der Zeit des ehelichen Zusammenlebens versorgte sie die Kinder und den Haushalt. Daneben war sie zeitweilig als Aushilfe in einem Bekleidungsgeschäft geringfügig beschäftigt. Der am 19.3.1952 geborene Beklagte ist von Beruf Diplom-Finanzwirt und arbeitete bis Dezember 2007 als beamteter Betriebsprüfer mit der Besoldungsgruppe A 12. Seit Januar 2008 befindet er sich irn Ruhestand und erhält eine Beamtenversorgung. Er besitzt zusammen mit seiner Schwester in ungeteilter Erbengemeinschaft mehrere lmmobilien in F mit insgesamt 33 Wohnungen.

Durch Beschluss vom 14.9.2009 hat das AG den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab Juni 2009 Trennungsunterhalt in monatlicher Höhe von 450 FUR an die Klägerin zu zahlen. Der Beklagte zahlte im Juni 2009 darauf 400 EUR und anschlieflend bis November 2011 monatlich 450 EUR.

Das AG hat nach umfangreicher Zeugenvernehmung durch die angefochtene Entscheidung den Beklagten zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt und die auf Rückzahlung gezahlten Unterhalts gerichtete Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, der Beklagte habe im Jahr 2009 Einkünfte aus seiner Rente sowie aus der Vermietung von Immobilien i.H.v. monatlich 3.869 EUR gehabt. Nach Abzug von Darlehensraten sei ein bereinigtes Nettoeinkommen i.H.v. 2.236,92 EUR monatlich verblieben. Demgegenüber müsse sich die Klägerin im Hinblick auf Ziff. 6.1 und 6.2 der HLL ein fiktives Einkommen i.H.v. 500.00 EUR aufgrund ihres Zusammenlebens mit dem Zeugen L anrechnen lassen. Im Jahr 2010 habe der Beklagte aufgrund des Steuerklassenwechsels ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 3.483 EUR gehabt. Nach Abzug verschiedener Positionen sei ein bereinigtes Nettoeinkommen i.H.v. 2.390 EUR verblieben. Der Klägerin sei, da sie nun eine eigene Wohnung gehabt habe und sich nur gelegentlich bei dem Zeugen L aufgehalten habe, nur noch ein fiktives Einkommen i.H.v. 150 EUR zuzurechnen. Bis zum Ablauf des Trennungsjahres im Mai 2010 schulde der Beklagte Trennungsunterhalt in monatlicher Höhe von 1.120 FUR. Danach sei die Klägerin zu einer eigenen Berufstätigkeit verpflichtet. Gesundheitliche Einschränkungen, die der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entgegenstehen, seien nicht ersichtlich. Bei entsprechender Anstrengung sei sie in der Lage, monatlich 800 EUR zu verdienen. Nach Abzug des Erwerbstätigenbonus sei ihr ein Einkommen von 686 EUR zzgl. des Versorgungsentgel...

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