Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 17 O 40/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Bezahlung mehrerer Lieferungen von Traubensaft. Die Beklagte hält ihr im Wege einer Primäraufrechnung und hilfsweise widerklagend Schadensersatzansprüche wegen der Nichterfüllung weitergehender Lieferpflichten entgegen.

Die Parteien standen seit dem Jahr 2004 in einer ständigen Geschäftsbeziehung, wonach die Beklagte, ein Nahrungsmittelunternehmen mit Sitz in Q, von der Klägerin, einer italienischen Wein- und Saftherstellerin, auf Abruf (sog. "call-offs") verschiedene Traubensäfte und -konzentrate bezog. Die Verbindung wurde seinerzeit von der Zeugin V als selbstständiger Handelsvertreterin angebahnt und bis zur Beendigung ihrer Tätigkeit für die Klägerin Ende Mai 2009 betreut. Den Leistungsabrufen lagen für jedes Erntejahr gesondert geschlossene Verträge zugrunde, die u.a. eine doppelte Schriftformklausel sowie die Vereinbarung eines Gerichtsstands in Bielefeld enthielten. Ob die Allgemeinen Einkaufsbedingungen der Beklagten (im Folgenden: AGB), die insbesondere eine Wahl deutschen Rechts unter Ausschluss des UN-Kaufrechts (CISG) beinhalteten, einbezogen waren, ist zwischen den Parteien streitig.

Zu Beginn der - nicht streitgegenständlichen - Lieferperiode 2007/2008 kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 05.09.2007 und vom 10.10.2007 auf Aufforderung der Klägerin an, sich wie bislang um einen möglichst gleichmäßigen Warenabruf zu bemühen (K28 und K34, Bl. 126 - 128 d.A.). Ob diese Maßgabe zugleich für sämtliche künftigen Verträge gelten sollte, steht wiederum in Streit.

Zwischen Oktober 2010 und Januar 2011 schlossen die Parteien insgesamt 4 Verträge über Lieferungen aus der Ernte 2010:

04.10.2010 (Endziff. 5201): 1.000.000,00 kg weißes Traubensaftkonzentrat zum Preis von 0,90 Euro/kg, abrufbar bis zum 30.11.2011 (K1 und B2)

08.10.2010/22.10.2010 (Endziff. 5262): 10.000.000,00 l roter Traubensaft zum Preis von 0,299 Euro/l, abrufbar bis zum 31.10.2011 (K2 und K5 sowie B5)

08.10.2010/22.10.2010 (Endziff. 5263): 2.500.00,00 l weißen Traubensaft zum Preis von 0,299 Euro/l, abrufbar bis zum 31.10.2011 (K3 und K6 sowie B3)

14.01.2011 (Endziff. 5775): weitere 600.000,00 l weißen Traubensaft zum Preis von nunmehr 0,333 Euro/l, abrufbar bis zum 31.10.2011 (K4 und B4).

Die jeweiligen Auftragsbestätigungen der Beklagten waren mit Hinweisen auf die Geltung ihrer AGB versehen. Die Klägerin übersandte ihrerseits unter dem 11.10.2010 bzw. unter dem 21.01.2011 sog. "sales contracts" unter Beifügung ihrer eigenen AGB mit der Forderung gleichmäßiger Warenabrufe (K22 und K23). Die Beklagte widersprach mit Schreiben vom 03.11.2010 und verwies auf eine ausschließliche Geltung des Vertragstextes und ihrer AGB (B22).

Für ordnungsgemäße Lieferungen erstellte die Klägerin unter Berücksichtigung mehrerer Gutschriften zwischen dem 04.08.2011 und dem 11.10.2011 im Ganzen 13 Rechnungen über einen Gesamtbetrag von 524.844,77 Euro, den die Beklagte nicht beglich (K7 - K20). Mit Schreiben vom 10.02.2012 (BK1) erklärte sie stattdessen die Aufrechnung mit vermeintlichen Gegenansprüchen, die sie mit ihrer Klageerwiderung vom 28.05.2014 auf insgesamt 534.710,38 Euro bezifferte. Diese Forderung beruht auf folgendem Sachverhalt:

Nachdem die Klägerin die Beklagten mit Schreiben vom 10.06.2011 (K29, Bl. 64, 65 d.A.) an ihre jährliche Sommerpause vom 08.08.2011 bis zum 19.08.2011 erinnert und den letzten Bestelltag vor Ferienbeginn auf den 29.07.2011 sowie den letzten Auslieferungstermin auf den 05.08.2011 datiert hatte, orderte die Beklagte neben weiteren Abrufen unter dem 21.07.2011 mit "call-offs" Nr. 19051, 19052 und 19053 insgesamt 17 Tanklastzüge zu jeweils 25.000,00 l roten Traubensafts (B11). Während die Klägerin zwischen dem 21.07.2011 und dem 05.08.2011 einige andere Lieferungen durchführte (B8 - B11), kündigte sie mit Schreiben vom 27.07.2011 eine Umsetzung der besagten drei Abrufe erst zum 31.08.2011 an (K30, Bl. 66 d.A.). Nach wechselseitiger Korrespondenz wiederholte die Beklagte ihre Lieferaufforderung unter Fristsetzung bis zum 15.08.2011 und stellte andernfalls Deckungskäufe in Aussicht (B16).

Unter dem 26.09.2011, d.h. rund 5 Wochen vor Vertragsablauf, rief die Beklagte bis auf einen Rest von 13.704,74 Liter die gesamte Order an weißem Traubensaft aus dem Vertrag mit der Endziffer 5775 in Höhe von 586.295...

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