Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensversicherung: Anspruch eines Erben oder Nachlasspflegers (nach dem VN) auf Auskunft über Bezugsberechtigte

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erbe oder Nachlasspfleger nach dem Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung kann grundsätzlich - so auch hier - Auskunft verlangen über die Person des Bezugsberechtigten.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 18 O 177/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19. April 2018 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger als gesetzlichem Vertreter der noch unbekannten Erben des X den vollständigen Namen und die vollständige Adresse des oder der bezugsberechtigten Person / Personen der fondsgebundenen Lebensversicherung, Versicherungsnummer: ..., des Erblassers X bei der Beklagten zu benennen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 3, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I. Die Berufung ist begründet.

Der Kläger als Nachlasspfleger kann Auskunft über die Identität des/der Bezugsberechtigten, den/die der Kläger im Rahmen seines bei der Beklagten bestehenden Lebensversicherungsvertrages bestimmt hat, verlangen, nachdem entsprechende Unterlagen des Erblassers bei einer von diesem herbeigeführten Explosion seines Wohnhauses vernichtet worden sind.

Dem Kläger steht ein solcher Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 4 S. 1 VVG, jedenfalls aber aus dem zwischen dem Erblasser und der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag zu.

1. Die Klage ist zulässig.

Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

Dieses fehlt bei objektiv sinnlosen Klagen, wenn also der Kläger keinerlei schutzbedürftiges Interesse an dem von ihm begehrten Urteil haben kann (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 253 Rn. 18).

Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben.

Zutreffend ist allerdings, dass die Aufgabenstellung des Klägers als Nachlasspfleger in der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses für die (unbekannten) Erben besteht, nicht hingegen in der Wahrung der Interessen der Nachlassgläubiger (BGH, Urteil vom 08.12.2004 - IV ZR 199/03, BGHZ 161, 281, juris Rn. 19). Ob vor diesem Hintergrund ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehlte, wenn sicher feststünde, dass der Nachlass in einem Maße überschuldet ist, dass die Rückforderung der Versicherungsleistung schlechterdings nicht den Erben, sondern nur den Nachlassgläubigern zugute kommen könnte, bedarf hier aber keiner Entscheidung. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass eine Überschuldung des Nachlasses nur unter der Voraussetzung gegeben sei, dass der Wohngebäudeversicherer des Hauseigentümers und/oder der Hausratversicherer eines Mieters Ansprüche aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG geltend machen. Ob eine derartige Inanspruchnahme erfolge, sei aber derzeit noch nicht absehbar. Gegenteiliges ist auch von der Beklagte nicht vorgetragen worden. Ist aber damit nicht ausgeschlossen, dass eine Rückforderung der Versicherungsleistung von der oder den Bezugsberechtigten den (noch unbekannten) Erben zugute kommt, kann das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht verneint werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2012 - XII ZR 101/10, MDR 2012, 1465, juris Rn. 26).

2. Die Klage ist auch begründet.

a) Der geltend gemachte Anspruch folgt bereits aus § 3 Abs. 4 S. 1 VVG.

aa) Diese Vorschrift regelt zwar ihrem Wortlaut nach lediglich den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Erteilung von Abschriften über die von ihm abgegebenen Erklärungen. Sie ist aber über diesen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass die dem Versicherungsnehmer als "Minus" auch das Recht zur Erteilung von Auskünften über den Inhalt derartiger Erklärungen einräumt (Prölss/Martin-Rudy, VVG, 30. Aufl. 2018, § 3 Rn. 9 a.E.; Rüffer/Halbach/Schimikowski-Brömmelmeyer, VVG, 3. Aufl. 2015, § 3 Rn. 29; Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl. 2016, § 3 Rn. 6).

bb) Die Voraussetzungen von § 3 Abs. 4 S. 1 VVG sind erfüllt.

(1) Die Einräumung eines Bezugsrechts ist eine "mit Bezug auf den Vertrag" abgegebene Erklärung (Prölss/Martin-Rudy, a.a.O., § 3 Rn. 9; Langheid/Wandt-Armbrüster, VVG, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 53).

(2) Der Anspruch aus § 3 Abs. 4 S. 1 VVG ist auch vererblich (OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.03.2010 - 5 U 233/09, NJW-RR 2010, 1333, juris Rn. 20; Langheid/Wandt-Armbrüster, a.a.O., § 3 Rn. 54). Er kann daher auch durch den Kläger als Nachlasspfleger geltend gemacht werden.

(3) Das ursprünglich zwischen dem Erblasser und der Beklagten bestehende Versicherungsverhältnis ist noch nicht vollständig abgewickelt.

(a) Es ist anerkannt, dass das aus § 3 Abs. 4 S. 1 VVG folgende Recht nur solange besteht, wie der zugrunde liegende Versicherungsvertrag noch nicht beendet und vollständig abgewickelt ist (OLG Köln, Urteil vom 23.021989 - 5 U 215/88, r+s 1989, 171, juris Rn. 4; Langheid/Rixecker, a.a.O.,m § 3 Rn. 8; Rüffer/Halbach/Schimikowski-Brömmelmeyer, a.a.O....

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