Leitsatz (amtlich)

Befindet sich in einem Vertragshotel eines Reiseveranstalters eine 3,7 bis 5,4 cm hohe Stufe zwischen Zimmerflur und Hotelzimmer, ohne auffällig kenntlich gemacht zu sein, haftet der Reiseveranstalter grundsätzlich aus Verkehrssicherungspflichtverletzung für Sturzschäden, die sich ein Reiseteilnehmer zuzieht, weil er beim Verlassen des Zimmers über die Stufe gestolpert ist.

Der Reiseteilnehmer muss sich aber unter Umständen ein Mitverschulden entgegen halten lassen (hier 50 %).

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 21.05.2008; Aktenzeichen 6 O 480/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 21.5.2008 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Dortmund abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.419,79 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 4.000,- EUR seit dem 7.12.2007 und aus weiteren 419,79 EUR seit dem 27.3.2008 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 15.8.2007 im Hotel D (E) den künftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines hälftigen Eigenverschuldens und den künftigen materiellen Schaden - soweit nicht Forderungsübergang auf Dritte stattgefunden hat - zur Hälfte zu ersetzen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die am 26.8.1935 geborene Klägerin macht Schadensersatz nach einem Sturz über eine Kante an der Zimmertür ihres Hotelzimmers in der T geltend.

Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen an einer von der Beklagten veranstalteten Busreise mit Unterbringung in einem 3-Sterne-Hotel nach E teil, die vom 14. bis zum 19.8.2007 dauern sollte. Die Reisebestätigung war adressiert an den Ehemann der Klägerin; die Klägerin war als Reiseteilnehmerin aufgeführt.

Am 14.8.2007 kamen die Klägerin und ihr Ehemann gegen 18:00 Uhr im Hotel D an und bezogen das Zimmer. Sie verließen das Zimmer zum Abendessen und kehrten anschließend in das Zimmer zurück, ohne dabei über die Kante an der Zimmertür. zu stolpern. Ob die Klägerin beim erstmaligen Betreten des Zimmers eine überraschte Bemerkung ihres Ehemanns über die Stufe wahrgenommen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Am nächsten Morgen stolperte sie - wie von Beklagtenseite in der Berufungsverhandlung unstreitig gestellt - über die Stufe und kam zu Fall, als sie vor ihrem Ehemann das Zimmer verlassen wollte. Sie wurde noch am gleichen Tag in das Spital E eingeliefert, wo ein dislozierter Bruch des Oberarmknochens operativ gerichtet wurde. Am 17.8.2007 wurde sie per Krankentransport in die I Klinik in T verlegt und dort bis zum 27.8.2007 weiter behandelt. Bei der Operation in der Schweiz war der Radialisnerv geschädigt worden, weshalb die Klägerin ihre rechte Hand kaum noch bewegen konnte.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Höhenunterschied an der Kante zum Flur, den ihr Ehemann mit 5,4 cm gemessen habe, vorher nicht bemerkt. Bei der Kante handele es sich um eine gefährliche Stolperfalle, da sie nicht farblich markiert, sondern auf dem umgebenden Teppichboden kaum zu erkennen gewesen sei, schon gar nicht bei den dunklen Lichtverhältnissen im Flur. Über eine solche Kante seien auch andere Teilnehmer der Busreise gestolpert. Wegen der Nervschädigung sei mit weiteren Behandlungen zu rechnen. Deutliche Verbesserungen seien aber nicht mehr zu erzielen.

An Zuzahlungen, Fahrtkosten und weiteren Unkosten sei ihr ein materieller Schaden von 1.079,32 EUR entstanden. U. a. habe sie eine für den 15.10.-28.10.2007 geplante Reise nach N wegen der Verletzung nicht antreten können; deshalb seien ihr Stornokosten von 135 EUR entstanden. Auf Grund der erheblichen Verletzungsfolgen sei ihrer Meinung nach ein Schmerzensgeld von mindestens 5.001 EUR angemessen.

Sie hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit am 7.12.2007 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.079,32 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden auszugleichen, die aus dem Unfall vom 15.8.2007 herrühren, soweit entsprechende Ansprüche nicht auf Träger der Kranken- und Rentenversicherung übergegangen sind.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie bestreitet den Schadenshergang. Der Unfall beruhe allein auf einer Unachtsamkeit der Klägerin. In den letzten 20 Jahren sei in dem Hotel niemand über die Kanten an den Türen gestürzt. Die Kante sei auch nur 3,7 cm hoch gewesen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass vertragliche Ansprüche der Klägerin nicht bestünden, weil der Vertrag nur mit ihrem Ehemann geschlossen worden sei. Deliktische A...

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