Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der wirksamen Delegation der Verkehrssicherungspflicht, wenn der Winterdienst auf die Erdgeschoßmieter "vor dem eigenen Bereich" übertragen wird.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 27.04.2015; Aktenzeichen 3 O 26/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des klagenden Landes wird der Beklagte unter Abänderung des am 27.04.2015 verkündeten Urteils der 3. Zivilkammer des LG Essen, Az. 3 O 26/15, verurteilt, an das klagende Land 13.315,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von 5.985,76 EUR seit dem 16.11.2013 und auf einen weiteren Betrag von 7.330,07 EUR seit dem 09.03.2015 zu zahlen.

Wegen der weiter gehenden Zinsforderung bleibt die Klage unter Zurückweisung der Berufung abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)

I. Das klagende Land macht aus übergegangenem Recht wegen eines behaupteten Sturzes der beihilfeberechtigten Frau L vom 25.01.2013 Ansprüche wegen Verletzung der Räum- und Streupflicht geltend.

Der Beklagte war am 25.01.2013 Mieter von Räumlichkeiten im Erdgeschoss und im Keller der Immobilie H-Straße in ... F, in denen er eine SB-Bäckerei betrieb. Er war zunächst Untermieter der Agentur S, die mit Mietvertrag vom 18.07.2006 (Bl. 17 f. GA) nebst Sondervereinbarung von diesem Tag (Bl. 15 f. GA) die Räumlichkeiten von der Streithelferin gemietet hatte. Mit Vereinbarung vom 21.10.2011 (Bl. 19 GA) trat der Beklagte in diesen Mietvertrag ein.

Das klagende Land erbrachte auf die sturzbedingten Behandlungskosten der Frau L unstreitig Beihilfeleistungen in Höhe von 13.315,83 EUR, wobei wegen der Einzelheiten zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Klageschrift vom 29.01.2014 nebst Anlagen Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 27.09.2013 (Bl. 20 f. GA), dem Beklagten zugestellt am 30.09.2013 (Bl. 22 GA), setzte das klagende Land dem Beklagten wegen der Zahlung eines Betrages von 5.985,76 EUR eine Frist bis zum 15.11.2013. Der Beklagte lehnte den Ausgleich der Schäden sodann ausdrücklich ab.

Das klagende Land hat behauptet, Frau L sei am 25.01.2013 mit dem Taxi zu der in der Immobilie befindlichen Zahnarztpraxis gefahren. Sie sei am Arm des Taxifahrers, des Zeugen X, zum Praxiseingang gegangen. Gleichwohl sei sie auf dem Glatteis auf der Stufe zum Auftrittspodest zum Eingang der Zahnarztpraxis ausgerutscht und gemeinsam mit dem Zeugen gestürzt.

Das klagende Land hat die Rechtsmeinung vertreten, dass die Delegation der Verkehrssicherungspflicht hinreichend klar sei, weil das Auftrittspodest das einzige Podest im Hofbereich sei.

Das klagende Land hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 13.315,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2013 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat den Unfall, den Unfallzeitpunkt sowie den nicht geräumten Zustand der Wege samt Podest sowie der Zufahrt bestritten.

Er hat die Rechtsmeinung vertreten, aus einer früheren Sondervereinbarung ergebe sich, dass die Erdgeschossmieter nur noch für die Räumung vor dem eigenen Bereich zuständig sein sollten. Der Treppenbereich gehöre jedoch zu der im Gebäude befindlichen Zahnarztpraxis und habe nichts mit der vom Beklagten betriebenen Bäckerei zu tun.

Das LG hat den Beklagten zu den örtlichen Verhältnissen persönlich angehört und die Klage abgewiesen. Die Verkehrssicherungspflicht sei nicht wirksam auf den Beklagten delegiert worden. Es lasse sich nicht feststellen, dass mit der Formulierung "vor dem eigenen Bereich" ein dem Beklagten bzw. dessen Gewerbebetrieb zuzuordnender Bereich gemeint sein solle. Der Eingang des Ladenlokals befinde sich auf der anderen Seite, der Treppenbereich sei der Zahnarztpraxis zuzuordnen. Mangels anderweitigen Vortrages der Parteien sei davon auszugehen, dass dieser Zahnarzt insoweit auch Mieter des Erdgeschossbereiches sei. Jedenfalls sei die Regelung nicht hinreichend klar. Zudem müssten, wenn mehrere Mieter in Betracht kommen, Regeln aufgestellt sein, die im Einzelnen festlegen, wer von mehreren Mietern wann mit dem Winterdienst beauftragt ist.

Hiergegen wendet sich das klagende Land mit seiner Berufung. Die Zahnarztpraxis befinde sich tatsächlich im Obergeschoss. Ausweislich der Anhörung des Beklagten befinde sich an der einzigen im Bereich des Auftrittspodestes befindlichen Tür auch der Briefkasten der Bäckerei des Beklagten, die Tür führe zudem zum Keller des Gebäudes und zum Lager der vom Beklagten betriebenen Bäckerei.

Das klagende Land und die auf Seiten des klagenden Landes im Berufungsverfahren beigetretene Streithelferin, die Vermieterin des Beklagten, beantragen,

das am 27.04.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Essen, Az. 3 O 26/15, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 13.315,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozen...

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