Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwere Verletzungen eines 1 ½ Jährigen beim Grillen durch den Vater auf dem Balkon; Zur Kürzung von Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen; Keine Aufsichtpflichtverletzung des Vaters

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 22.11.2007; Aktenzeichen 3 O 530/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Bochum vom 22.11.2007 - Az. 3 O 530/06 - abgeändert.

Unter Aufhebung des am 5.7.2007 verkündeten Versäumnisurteils wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 50.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.1.2007 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Ereignis vom 10.5.2003 resultieren, soweit sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Am 10.5.2003 wurde der damals 1 ½-jährige Kläger beim Grillen auf dem zur Wohnung seiner Eltern gehörenden Balkon durch eine brennende Grillpaste schwer im Gesicht und am Körper verletzt. Die Beklagte ist Herstellerin der sog. T-Sicherheitsbrennpaste, die in 1-Liter-Plastikflaschen mit kindergesichertem Verschluss und eingesetzter Dosierdüse u.a. über T1-Märkte vertrieben wurde und die der Vater beim Grillen verwendete. Bei der Streithelferin handelt es sich um die Herstellerin des Brennpastenflaschenventils.

Die Staatsanwaltschaft Bochum leitete gegen den Vater des Klägers Ermittlungen wegen schwerer Körperverletzung ein (Az.: 11 Js 336/03). Die Staatsanwalt holte ein Sachverständigengutachten des Brandamtmannes a. D. X C ein. Wegen des Ergebnisses der Untersuchungen wird auf das Gutachten vom 22.9.2003 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 20 ff. d.A.) Bezug genommen. Das Verfahren wurde am 3.11.2003 gem. § 153b Abs. 1 StPO eingestellt.

Der Kläger hat behauptet, dass sein Vater einen handelsüblichen Tischgrill erworben habe. Da sich die Holzkohlen nicht wie gewünscht entzündet hätten, habe der Vater versucht, den Zündvorgang mit einer Sicherheitsbrennpaste einzuleiten. Es habe sich dabei um die von der Beklagten hergestellte Brennpaste der Marke "T" gehandelt. Der Verschluss der Flasche sei mit einer Kindersicherung versehen. Beim Versuch, den Verschluss durch Drehen und Drücken zu öffnen, habe sich der gesamte Verschlusseinsatz verklemmt und habe sich einschließlich Dosierdüse vollständig aus dem Flaschenhals gelöst. Die Brennpaste sei bei den Bewegungen zum Öffnen durch die nunmehr große Öffnung ausgetreten und habe sich unkontrolliert über den Holzkohlegrill ausgebreitet. Da sich durch den ersten Zündversuch unbemerkt eine Glut gebildet habe, habe sich die Paste entzünden können. Es sei zu einer Verpuffung und einer Stichflamme gekommen, gerade in dem Moment, in dem der Kläger von seinem Vater unbemerkt den Balkon betreten habe. Der Kläger sei von der Flamme getroffen worden. Er habe dadurch Verbrennungen 2. und 3. Grades am Kopf und am rechten Unterarm erlitten, insbesondere in der rechten Gesichtshälfte, hinter dem rechten Ohr, an der rechten und linken Ohrmuschel und am rechten Handgelenk. Es seien 15 % der Körperoberfläche betroffen. Der Kläger sei in der Zeit vom 10.5.2003 bis zum 11.6.2003 stationär behandelt worden, wobei er wegen der großen Schmerzen in ein künstliches Koma versetzt worden sei. Es seien mehrere operative Eingriffe, insbesondere Eigen- und Fremdhauttransplantationen erfolgt. Anschließend habe in der Klinik eine poststationäre Behandlung stattgefunden. Seitdem werde der Kläger in einer Praxis für Physiotherapie mit Massagen (Skin-Tonic), Saugmassagen, Lymphdränagen, Elektrotherapie und Mimikschulung behandelt. Der Kläger habe bis Mai 2005 eine Gesichtsmaske und eine Unterarmbandage zur Kompressionsbehandlung getragen. Es seien entstellende Narben, insbesondere im Gesicht, zurückgeblieben, die einer ständigen Pflege und Behandlung bedürften. Da sich der Kläger noch im Wachstum befinde, sei die Narbenbildung noch nicht vollständig abgeschlossen. Es sei nicht auszuschließen, dass es im Bereich der Verbrennungsnarben zu Bewegungseinschränkungen kommen werde. Wegen der weiteren Einzelheiten zu den Unfallfolgen wird auf mit Schriftsatz vom 27.7.2007 überreichten Arztberichte (Bl. 182 ff. d.A.) Bezug genommen,

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte für den Unfall verantwortlich sei, weil die von ihr verwendete Flasche Sicherheitsmängel aufweise. Dadurch, dass sich die Dosierdüse gelöst habe, sei der Flammenrückschlag erst möglich geworden.

Der Kl...

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