Leitsatz (amtlich)

Führt ein Tierarzt bei einem wertvollen Dressurpferd eine komplizierte Operation durch, so handelt er dann grob fehlerhaft, wenn die Erfolgsquote der Operation bei nur 50 % liegt und er den Eigentümer nicht auf dieses hohe Risiko hinweist. Im Falle eines groben Behandlungsfehlers tritt auch im Bereich der Tiermedizin eine Umkehr der Beweislast ein.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 398, 1922

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 10.11.2010; Aktenzeichen 6 O 480/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.11.20010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bochum abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.8.2008 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin eine außergerichtliche Anwaltsvergütung i.H.v. 1.761,08 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.8.2008 zu zahlen.

Wegen des weiter gehenden Zinsanspruchs wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund einer behaupteten tierärztlichen Fehlbehandlung des vom Oldenburger Verband gekörten Hengstes X.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte den Beklagten, der in C eine Pferdeklinik betrieb, mit der Behandlung des Hengstes beauftragt. Wer von den Eheleuten Eigentümer des Pferdes war, ist streitig geworden. Beide sind als Besitzer des Hengstes bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) eingetragen, und zwar der Ehemann im Bereich der Zucht und die Klägerin für den Bereich Sport. Das Pferd befand sich seit 1997 bereits in der Behandlung des Beklagten. Bis zum Jahr 2003 war es zu insgesamt 22 tierärztlichen Konsultationen gekommen. Es wurde als Dressurpferd im Turniersport eingesetzt und hatte eine Ausbildung bis zur Grand Prix -Reife erlangt. Im Jahr 2004 wurden im hinteren Bereich des Fesselgelenks 2 Chips (kleine Knorpel-Knochenfragmente im Gelenk) festgestellt, welche der Beklagte zu entfernen empfahl. Bei einem Chip im hinteren Bereich handelte es sich um eine sog. Birkelandfraktur. Anlässlich der durchgeführten Operation am 7.10.2004 konnten jedoch die Chips nicht entfernt werden, weil der Chip bezüglich der Birkelandfraktur dem Beklagten entglitten war und wegen der Dauer der Narkose auf eine Entfernung des weiteren Chips verzichtet wurde. Aus diesem Grund kam es am 28.10.2004 zu einer erneuten Operation. Da der Hengst nach seiner am 19.11.2004 aus der Tierklinik erfolgten Entlassung lahmte, versorgte der Beklagte eine Krongelenkssubluxation operativ mit einer Platte. Das Pferd ist als Dressurpferd nunmehr unbrauchbar und dauerhaft lahm.

Mit der Begründung, dass der Beklagte den Hengst ohne ausreichende Indikation und darüber hinaus fehlerhaft operiert, zudem eine ausreichende Aufklärung über die Risiken einer Birkelandfraktur gefehlt habe, hat der verstorbene Ehemann der Klägerin unter Abtretung von Ansprüchen der Klägerin vom Beklagten Schadensersatz i.H.v. 60.000 EUR verlangt. Dazu hat er ausgeführt, dass der Hengst lahmfrei gewesen und lediglich im Hinblick auf einen möglichen Verkauf eine Untersuchung durchgeführt worden sei. Es habe Interessenten mit einem Kaufangebot von über 250.000 EUR gegeben.

Das LG hat sachverständig beraten durch Prof. Dr. Y die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass Behandlungsfehler nicht festzustellen seien. Die Entfernung der Chips sei zumindest relativ indiziert gewesen, und zwar unabhängig von einer vorhandenen Lahmheit, um das Pferd vor einer späteren Arthrose zu bewahren.

Soweit bei der Durchführung der Operation ein ungewöhnlicher Zugang gewählt worden sei, sei dies kein Fehler, weil man diese Möglichkeit habe wählen können, um beide Chips gleichzeitig zu entfernen. Im Übrigen sei auch ein Zusammenhang zwischen dieser Vorgehensweise und dem Schadenseintritt nicht feststellbar. Letztlich sei bei den Eingriffen der Bandapparat geschädigt worden, was aber unvermeidlich sei und zu einem schicksalhaften Geschehen geführt habe.

Die Aufklärung sei auch ausreichend gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich hier nicht um eine Aufklärung im humanmedizinischen Bereich handle. Deswegen müsse auch klägerseits ein Aufklärungsmangel dargelegt und nachgewiesen werden, was aufgrund der vorliegenden Dokumentation und dem unterzeichneten Aufklärungsbogen nicht erfolgt sei.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Vorlage eines notariellen Testamentes, das sie als Alleinerbin ausweist, den Rechtsstreit fortsetzen will. Dies hält der Beklagte als Nachweis für die Erbenstellung nicht für ausreichend.

Diesbezüglich beantragt der Be...

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