Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit und Begründetheit einer im Urkundenprozess erhobenen Klage, mit der ein ehemaliger Sparkassenvorstand Vergütungsansprüche aus dem Dienstvertrag mit der Sparkasse für einen Zeitraum geltend macht, in dem die Sparkasse die Annahme seiner Dienstleistungen verweigert hat. Insbesondere: zur Frage einer unzulässigen Wiederholungskündigung und der Anrechnung anderweitiger Verdienste aus dem Zurverfügungstellen eines privat nutzbaren Kraftfahrzeugs.

 

Normenkette

ZPO §§ 592 ff.; ZPO §§ 293 ff.; BGB §§ 611, 615

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 15 O 88/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.12.2016 verkündete Urkunden-Vorbehaltsurteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld (15 O 88/16) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 116.068,47 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus jeweils 13.520,83 EUR seit dem 16.02.2016 und dem 16.03.2016, aus jeweils 12.575,83 EUR seit dem 16.04.2016, dem 16.05.2016, dem 16.06.2016 und dem 16.07.2016 sowie aus jeweils 12.907,83 EUR seit dem 16.08.2016, dem 16.09.2016 und dem 16.10.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 5 % und die Beklagte zu 95 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils für die vollstreckende Partei insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Beklagten bleibt die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

 

Gründe

I. Der Kläger macht aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrages Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Monate Februar bis Oktober 2016 gegen die Beklagte im Urkundenprozess geltend, und zwar unter Anrechnung anderweitig in diesem Zeitraum erlangter Verdienste.

Die beklagte Sparkasse ist eine Anstalt des Öffentlichen Rechts. Am 25.03.2014 schloss sie - nach Beschlussfassung der zuständigen Gremien - einen Dienstvertrag mit dem Kläger, der seine Anstellung als Vorstandsmitglied für die Zeit vom 01.10.2014 bis zum 30.03.2019 vorsah und die Bruttojahresfestvergütung auf 235.000,- Euro zuzüglich einer Zulage i. H. v. 15 % festlegte. Gemäß § 6 Abs. 8 sollte dem Kläger ein Pkw zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Die Beklagte sollte berechtigt sein, das Fahrzeug im Falle einer Freistellung des Klägers herauszuverlangen. In diesem Zusammenhang heißt es: "Ein Erstattungsanspruch wegen der unterbliebenen Privatnutzung steht dem Vorstandsmitglied nicht zu."

Nach Vertragsschluss zeigte die Beklagte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) förmlich ihre Absicht an, nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 KWG den Kläger mit Wirkung ab 01.10.2014 zum Vorstandsmitglied zu bestellen. Da sich die Behörde auch nach der Beantwortung diverser Nachfragen nicht von der fachlichen Eignung des Klägers im Sinne des § 25c KWG zu überzeugen vermochte, drohte sie der Beklagten mit Schreiben vom 31.07.2014 an, im Falle seiner Bestellung zum Geschäftsleiter geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wobei insbesondere ein Abberufungsverlangen in Betracht kommen werde. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 28.08.2014 den mit dem Kläger geschlossenen Dienstvertrag aus wichtigem Grunde fristlos, den sie zudem hilfsweise anfocht. Der Kläger wurde auch als Organ abberufen.

Mit Urteil vom ...2015 (... O .../14) stellte die 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld auf Antrag des Klägers fest, dass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.08.2014 nicht beendet und auch nicht aufgrund der am selben Tage ausgesprochenen Anfechtung nichtig sei. In der Begründung heißt es, die vorzunehmende Interessenabwägung falle im Ergebnis zugunsten des Klägers aus. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Vertrag ohne eine aufschiebende Bedingung geschlossen habe, obwohl Belege für die von der BaFin im Vorfeld formulierten Anforderungen nicht umfassend vorgelegen hätten. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. Eine von der Beklagten eingelegte Nichtigkeitsklage wurde durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom ...2017 (... O .../16) verworfen; über die dagegen eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden.

Seit Februar 2016 ist der Kläger als Vertriebsleiter in einem Sanitärunternehmen tätig. Er erzielt dort einen monatlichen Bruttoverdienst von jedenfalls 9.000,- EUR und hat Anspruch auf die Privatnutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Pkw.

Mit Schreiben vom 30.06.2016 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger abermals die Kündigung des Dienstverhältnisses aus, die sie er...

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