Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Abtrennung einer Folgesache

 

Leitsatz (redaktionell)

Sind in einem Verbundverfahren zunächst beide Ehegatten mit der Abtrennung der Folgesache Zugewinn einverstanden, entbindet dieser Umstand das Gericht und Rechtsmittelgericht nicht von der Prüfung der Voraussetzungen des § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO. Der Scheidungsverbund ist im Rahmen der §§ 623 Abs. 1 S. 1, 628 ZPO nicht disponibel.

 

Normenkette

ZPO § 623 Abs. 1 S. 1, § 628 S. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Siegen (Urteil vom 19.03.2008; Aktenzeichen 15 F 2153/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das am 19.3.2008 verkündete Urteil des AG - FamG - Siegen mit dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird zur Wiederherstellung des Scheidungsverbundes sowie erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das AG - FamG - Siegen zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die am ... geborene Antragstellerin und der Antragsgegner, geboren am ..., schlossen am 10.5.1963 die Ehe miteinander, aus der eine erwachsene Tochter hervorgegangen ist. Seit etwa Ende 2005/Anfang 2006 leben die Parteien getrennt voneinander.

Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 29.12.2006, dem Antragsgegner zugestellt am 8.1.2007, das vorliegende Scheidungsverfahren eingeleitet. Der Antragsgegner hat im Rahmen des erstinstanzlichen Verbundverfahrens die Folgesachen Zugewinnausgleich und Nachscheidungsunterhalt (monatlich 435 EUR ab Oktober 2009) rechtshängig gemacht.

Ebenfalls im Termin vom 28.11.2007 haben die Parteien übereinstimmend die Abtrennung der Verbundsache "Zugewinnausgleich" beantragt; das AG hat dem Antrag durch Beschluss entsprochen.

Mit Schriftsatz vom 13.12.2007 hat der Antragsgegner den Ausschluss des Versorgungsausgleichs beantragt mit der Begründung, die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei grob unbillig. Denn er habe während der gesamten Ehe in das von den Ehegatten bewohnte Haus der Antragstellerin investiert, wobei er davon ausgegangen sei, dass die Immobilie auch seiner Altersversorgung diene. Wenn im Wege des Zugewinnausgleichs ein Teil seiner - infolge langjähriger Selbstständigkeit ohnehin geringen - Rente auf die Antragstellerin übertragen werde, bleibe ihm weniger als das Existenzminimum, während der Antragstellerin neben der Rente noch der Wohnwert ihres Hauses sowie nicht unbeträchtliche Mieteinkünfte zugute komme. Zudem habe die Antragstellerin ihm die Grundlage für eine weitere selbständige Tätigkeit in seinem Ingenieurbüro entzogen, denn sie habe ihn hinausgeworfen und die von ihr geführte ... in die Liquidation getrieben. Es komme hinzu, dass die Antragstellerin versuche, ihn im Rahmen des Zugewinnausgleichs leer ausgehen zu lassen. Die Frage des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs hänge ganz wesentlich davon ab, ob er - der Antragsgegner - über den Zugewinnausgleich zumindest teilweise an dem von ihm geschaffenen Vermögenswert partizipiere.

Deshalb werde beantragt, das Scheidungsverfahren bis zur Entscheidung über den (abgetrennten) Zugewinnausgleich auszusetzen.

Das AG hat die Ehe der Parteien geschieden, im Rahmen des Versorgungsausgleichs Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 377,91 EUR vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf dasjenige der Antragstellerin übertragen und den Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhaltes zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Darstellung im angefochtenen Urteil verwiesen.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung erstrebt der Antragsgegner in erster Linie eine einheitliche Entscheidung zu den Folgesachen Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich.

Er beantragt,

1. das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren zur Herbeiführung einer einheitlichen Entscheidung zu den Folgesachen Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich an das AG - FamG - Siegen zurück zu verweisen,

2. hilfsweise, das amtsgerichtliche Urteil dahingehend abzuändern, dass der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wird.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachvortrag der Parteien wird auf den Inhalt der zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung des Antragsgegners ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das AG.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel (§ 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO), denn die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe vor der Entscheidung über die Folgesache "Zugewinn" liegen nicht vor.

1. Gemäß § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO kann das Gericht dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgeben, soweit die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Im vorliegenden Fall lässt sich bereits eine außergewöhnliche Verzögerung nic...

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