Leitsatz (amtlich)

Die Gemeinde verletzt ihre Verkehrssicherungspflicht, wenn die zeitweilige Abschaltung der Straßenbeleuchtung aus Gründen der Ersparnis dazu führt, dass Pflanzkübel auf dem Gehweg, die verkehrstechnische Aufgaben oder dekorative Zwecke erfüllen sollen, für Fußgänger des Nachts nicht mehr hinreichend erkennbar sind und deshalb eine Verletzungsgefahr darstellen.

Allerdings muss sich ein geschädigter Fußgänger, der über einen solchen Kübel zu Fall gekommen ist, ein Mitverschulden entgegen halten lassen, wenn er sich bei tiefer Dunkelheit ohne ausreichende Sicht nicht vorsichtig seinen Weg ertastet.

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Urteil vom 02.05.2005; Aktenzeichen 9 O 79/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2.5.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des LG Detmold unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 234,51 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2003 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gem. § 540 ZPO)

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte anlässlich eines Unfalls am 20.10.2003 gegen 1.00 Uhr auf der C-Straße in N auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch. Die Klägerin ist auf dem Nachhauseweg von einer Feier zusammen mit ihrem Ehemann über einen auf dem Gehweg befindlichen Pflanzkübel (1 m × 1 m und ca. 60 cm hoch; nach Angaben der Beklagten 70 cm × 70 cm × 45 cm) aus Holz gestürzt und auf das Pflaster aufgeschlagen. Sie erlitt dabei eine Verletzung im Bereich des linken Auges und am Auge selbst.

Zum Unfallzeitpunkt war die Straßenbeleuchtung entsprechend einem Beschluss des Rates der beklagten Stadt zum Zwecke der Einsparung von Ausgaben ausgeschaltet. Der Pflanzkübel war an der Einmündung der C.-Straße in die L.-Straße aufgestellt worden, um ein Parken von Kraftfahrzeugen auf dem Gehweg zu unterbinden und eine ansonsten gegebene Behinderung des Schulbusses beim Einbiegen von der L.-Straße in die C.-Straße zu vermeiden. Zum Unfallzeitpunkt befand sich der Kübel nicht an der hierfür vorgesehenen Stelle am Rande des Gehweges zur Fahrbahn der C.-Straße hin, sondern mitten auf dem Gehweg. Die Beklagte macht geltend, dass ihr die veränderte Position des nicht am Boden befestigten Kübels, die offensichtlich durch Unbefugte erfolgt sei, nicht bekannt gewesen sei.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von insgesamt 703,52 EUR (152 EUR Kosten neue Brille, 26,52 EUR für 3 Fahrten von N. nach E. zum Arzt, 500 EUR Schmerzensgeld und 25 EUR Kostenpauschale). Das LG hat die Klage abgewiesen, weil ein Verstoß der Bekl. gegen eine Verkehrssicherungspflicht nicht festgestellt werden könne. Die Bekl. sei nicht gehindert gewesen, die Straßenbeleuchtung nachts abzuschalten, da eine besondere Gefahrenquelle wie etwa bei einer Baustelle auf der Straße, die eine Beleuchtung erfordere, nicht bestanden habe. Soweit der Pflanzkübel von dem hierfür bestimmten Platz durch Unbefugte verrückt worden sei, hafte die Bekl. für den hierdurch hervorgerufenen Zustand nicht.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung den bisherigen Antrag weiter. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte durch das Aufstellen des Pflanzkübels und das Abschalten der Straßenbeleuchtung eine besondere Gefahrenquelle geschaffen habe, für deren Absicherung sie habe Sorge tragen müssen, da von keinem Fußgänger zu erwarten sei, dass er nachts eine Taschenlampe bei sich führe. Sie selbst habe zwar eine Taschenlampe bei sich gehabt, jedoch in der Dunkelheit nicht gewusst, wie sie eingeschaltet werde. Gegen ein Umstellen des Kübels durch Unbefugte habe die Beklagte Vorkehrungen durch Befestigung am Boden treffen müssen.

II. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Die Beklagte haftet der Klägerin aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 9, 9a StrWG NRW, Art. 34 GG für die Folgen des Unfalls vom 20.10.2003. Der Senat teilt nicht die Auffassung des LG, dass der Sturz der Klägerin nicht auf einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte beruhe.

Bei der Beurteilung des Sachverhalts ist auf den auch vom BGH anerkannten Grundsatz abzustellen, dass der Verkehrssicherungspflichtige solche Gefahrenquellen zu beseitigen bzw. vor ihnen zu warnen hat, die für die Verkehrsteilnehmer trotz Anwendung der von ihnen zu erwartenden Eigensorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar sind oder auf die sie sich nicht rechtzeitig einzustellen vermögen (BGH VersR 1979, 1055). Dabei ist ein generell-abstrakter Maßstab, d.h. unter Einbeziehung der denkbar ungünstigsten Wahrnehmungsbedingungen anzulegen, da der Verkehrssicherungspflichtige auch für diese möglichen Situationen Vorsorge treffen muss. Dabei muss insb. auch die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden, dass ein Fußgänger den auf dem Gehweg an der ursprünglichen Stelle unmittelbar neben d...

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