Leitsatz (amtlich)

Bei der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Sachverständigen, der im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess des Klägers gegen den behandelnden Arzt als Gutachter tätig gewesen war, ist die Substantiierungslast des Klägers im Schadensersatzprozess aus § 839a BGB anders als im Arzthaftungsprozess nicht herabgesetzt. Der Kläger muss also die Umstände, die eine grobe Fahrlässigkeit des Gutachters begründen sollen, darlegen und unter Beweis stellen.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 24.10.2008; Aktenzeichen 1 O 60/07)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 24.10.2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in der selben Höhe Sicherheit leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger hatte nach zwei Bandscheibenoperationen der Halswirbelsäule am 28.12.2000 und 23.2.2001 in der Neurochirurgischen Klinik der Krankenanstalten C H den Krankenhausträger und die behandelnden Ärzte in dem Rechtsstreit 4 O 637/02 LG Bielefeld durch zwei Instanzen erfolglos auf Schadensersatz verklagt. Seinen dort erhobenen Vorwurf eines ärztlichen Behandlungsfehlers hatte er auf das Privatgutachten des Oberarztes Dr. I vom 27.7.2002 (Bl. 67 ff. GA) gestützt. In jenem Rechtsstreit ist der Beklagte als gerichtlich bestellter Sachverständiger beauftragt gewesen und hat jedenfalls bei seinen mündlichen Gutachtenergänzungen das Vorliegen von Behandlungsfehlern verneint, nachdem er in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 21.7.2003 (Bl. 29 ff. GA) die bei der ersten Operation gewählte Methode "Frykholm" des dorsalen Zugangs zum Operationsbereich noch als ungeeignet zur Dekompression der eingeklemmten Nervenwurzel C 7 und zur Beseitigung des Bandscheibenvorfalls angesehen hatte. Von Anfang an hatte er diese Operation aber als für vom Kläger seither geklagte Gesundheitsbeschwerden nicht ursächlich festgestellt. Die Abweisung der Schadensersatzklage im Arzthaftungsprozess und die Zurückweisung der Berufung des Klägers beruhen auf den sachverständigen Feststellungen des Beklagten.

Der Kläger nimmt mit der vorliegenden Klage den Beklagten auf den Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch, den er in dem Arzthaftungsprozess vergeblich eingeklagt hatte. Er stützt den Vorwurf grob fahrlässig unrichtiger Begutachtung durch den Beklagten auf den Widerspruch zwischen dessen Gutachtenergebnis und den Feststellungen des Dr. I.

Das LG hat die Klage als schon zum Grunde unschlüssig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, selbst bei unterstellter objektiver Unrichtigkeit des Gutachtens des Beklagten sei der Verschuldensvorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht substantiiert vorgetragen, weil er nicht allein mit dem Widerspruch zu dem Parteigutachten I begründet werden könne. Die im Übrigen nur pauschale und formelhafte Kritik an dem Sachverständigengutachten des Beklagten sei auch inhaltlich unzutreffend. Da der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht mit konkretem Sachvortrag untermauert worden sei, habe eine weitere Beweisaufnahme darüber als unzulässige Ausforschung unterbleiben müssen.

Die im letzten Verhandlungstermin beantragte weitere Stellungnahmefrist sei dem Kläger nicht mehr zu gewähren gewesen, nachdem die Frage des hinreichenden Sachvortrags zur Anspruchsvoraussetzung der groben Fahrlässigkeit bereits in der Klageerwiderung ausführlich thematisiert worden sei und der Kläger seither ausreichend Zeit zur Ergänzung seines Vortrags gehabt habe.

Wegen des Weiteren Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Mit der Berufung beantragt der Kläger in erster Linie die Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen eines vermeintlichen wesentlichen Verfahrensmangels. Hilfsweise verfolgt er seine erstinstanzlichen Anträge weiter.

Er rügt als schwerwiegenden Verfahrensfehler des LG, auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage im Sinne einer fehlenden Substantiierung des Verschuldensvorwurfs gegen den Beklagten nach zweijähriger Verfahrensdauer erstmals in der dem Urteil unmittelbar vorausgehenden (ersten) mündlichen Verhandlung hingewiesen und gleichwohl den Antrag auf Einräumung einer Schriftsatzfrist zur ergänzenden Stellungnahme zurückgewiesen zu haben. Die vom Prozessgegner schriftsätzlich erhobene Rüge unzureichender Substantiierung könne den gebotenen Hinweis seitens des Gerichts nicht ersetzen.

Unabhängig davon sei das Urteil materiell-rechtlich falsch, indem es das vom Beklagten erstattete Gutachten als jedenfalls nicht grob vorwerfbar unrichtig und unvertretbar erachte, ohne dessen objektive Unrichtigkeit überhaupt zuvor zu prüfen. Vor Allem habe dem Erstrichter die erforderliche eigene Sachkunde für seine - deshalb misslungene - Au...

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