Leitsatz (amtlich)

Vor der Injektionsbehandlung bei einer Epikondylitis humeri radialis (sog. Tennisarm) ist der Patient über Behandlungsalternativen aufzuklären. Dabei kommt es insbesondere auf die nichtoperativen Behandlungsmethoden (Medikamente, Infiltrationstherapie, physikalische Therapie und ruhigstellende Maßnahmen) an, weil die Therapie des Tennisarms seit Jahren äußerst umstritten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 253, 280, 630a

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 6 O 170/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9. Dezember 2020 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2018 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin

a) von jeglichen materiellen Schäden freizustellen und

b) jegliche nicht vorhersehbaren künftig entstehenden immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf die fehlerhafte Behandlung vom 15. August 2017 zurückzuführen sind, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche, nicht anrechenbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.613,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2018 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für materielle und zukünftige immaterielle Schäden aufgrund einer Behandlung in der beklagten Gemeinschaftspraxis vom 15.08.2017.

Die am 00.00.1972 geborene Klägerin begleitete ihren Sohn, den Zeugen J, am 15.08.2017 zu dessen Behandlung bei der Beklagten. Im Rahmen des Behandlungstermins äußerte die Klägerin seit Anfang August 2017 bestehende Beschwerden im rechten Ellbogen. Der behandelnde Arzt K untersuchte die Klägerin und diagnostizierte eine Epikondylitis humeri radialis rechts (sog. Tennisarm/Tennisellenbogen).

In dem von der Beklagten überreichten Ausdruck aus der EDV-Patientenkarteikarte vom 24.04.2018 ist für den 15.08.2017 notiert: "Zudem klagt Pat. akut über starke Schmerzen zum rechten Ellenbogen. (...) Beratung. Nach Aufklärung erfolgt eine Injektion Triam/Xylo..." (vgl. Bl. 76 d.A., Hervorh. durch Verf.). In dem zuvor der Klägerin außergerichtlich übersandten Ausdruck der Patientenkarteikarte vom 24.11.2017 ist für den 15.08.2017 notiert: "Zudem klagt Pat. Nun akut über Schmerzen im rechten Ellenbogen. Beratung. Injektion Triam/Xylo...", (vgl. Bl. 124 d.A., Hervorh. durch Verf.). Die Dokumentenhistorie konnte nicht eingereicht werden, da eine solche bei der eingesetzten Praxissoftware (..) nicht hinterlegt ist.

K setzte eine subkutane Injektion, wobei er weder Handschuhe noch einen Mundschutz trug, die Injektionsstelle jedoch mehrfach mit Alkohol benetzte. Die Klägerin unterzeichnete vor der Injektion ein auf den 15.08.2017 datiertes Aufklärungsblatt, welches ebenfalls von K unterschrieben wurde, vgl. Bl. 75 d.A. Ob und in welchem Umfang zuvor ein Aufklärungsgespräch stattfand, ist zwischen den Parteien streitig.

In der Folgezeit litt die Klägerin unter Beschwerden, weswegen sie sich am 23.08.2017 in der orthopädischen Gemeinschaftspraxis L vorstellte. Dort wurde eine leichte Schwellung und Überwärmung über dem rechten Ellbogen befundet; sonographisch zeigte sich eine Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Epikondylis radialis und des Olecranon. Der Klägerin wurde ein Zinkleimverband angelegt und es wurde eine Blutabnahme für den Folgetag vereinbart.

Mit den Laborwerten stellte sich die Klägerin am 25.08.2017 in der Ambulanz der M-Klinik N vor, wo bei minimaler CRP - Werterhöhung von 1,18 mg/dl der Verdacht auf eine Ellenbogenentzündung rechts befundet wurde. Am 26.08.2017 wurde die Klägerin sodann mit 38,5°C Fieber und einem CRP-Wert bei 90 mg/dl stationär in der M-Klinik N aufgenommen, wo noch am gleichen Tag eine chirurgische Revision erfolgte. Dabei wurden anhand der Diagnose Gelenkempyem mit Bursitis Olecrani eine Bursektomie mit ausgiebiger Spülung, Gelenköffnung und Drainage durchgeführt.

Eine Abstrichentnahme aus der Redondrainage/dem Redonschlauch ergab den Nachweis von Staphylococcus aureus. Nach Vornahme einer Antibiose wurde die Klägerin am 01.09.2017 aus der stationären Behandlung entlassen. Nach mehreren poststationären Kontrollen im Klinikum O bestand zuletzt am 27.09.2017 ein Bewegungsumfang von 0-20-100° für Extension und Flexion für das betroffene Ellbogengelenk. Im Rahmen einer weiteren ambulanten Vorstellung am 09.11.2017 wurden sekundäre Bindegewebe...

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