Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 19 O 314/18)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22.07.2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 12.050,66 EUR zu zahlen - die Beklagte zu 1) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.10.2018, die Beklagte zu 2) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2018 - Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Auto B mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer X1X1 mit dem amtlichen Kennzeichen HI VW 123, dessen Rückübereignung und Rückgabe der Zulassungsbescheinigung Teil I und II und der zugehörigen Fahrzeugschlüssel.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehenden Berufungen der beiden Beklagten und die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 25% und die Beklagten zu 75%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.274,20 EUR festgesetzt. Davon entfallen 2.757,40 EUR auf die Berufung des Klägers und 13.516,80 EUR auf die Berufung der Beklagten.

 

Gründe

(§ 540 ZPO)

A. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit dem "Diesel-Abgas-Skandal" geltend.

Gegenstand des Streits zwischen den Parteien ist dabei ein gebrauchter PKW Auto B, Fahrzeug-Identifikationsnummer X1X1, mit einer Erstzulassung am 18.02.2013. Diesen erwarb der Kläger am 05.02.2014 bei dem Autohaus N in H zum Preis von 16.385,00 EUR. Zum Zeitpunkt des Kaufs betrug die Laufleistung 21.244 km. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor mit der herstellerinternen Typenbezeichnung FG 45. Für diesen Typ war die Genehmigung nach der Verordnung EG 715/2007 erteilt worden mit der Schadstoffklasse Euro 5. Das Fahrzeug ist mit einer Software ausgestattet worden, die den Stickoxidausstoß im Prüfstandbetrieb, sogenannter "Modus 1", reduziert. Die maßgeblichen Abgaswerte werden unter Laborbedingungen im "Neuen Europäischen Fahrzyklus" ermittelt. Alle Fahrzeuge müssen im Testlauf bestimmte Emissionsgrenzwerte einhalten, um eine Typgenehmigung der Euro 5-Norm zu erhalten. Die in dem Fahrzeug des Klägers eingesetzte Software verfügte über eine Fahrzykluserkennung, die bemerkte, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand betrieben wird und den "Neuen Europäischen Fahrzyklus" durchläuft. Hierdurch wurde dann durch eine "Abschaltautomatik" oder "Umschaltlogik" im Testbetrieb der Abgasrückführungsmodus 1 aktiviert, im herkömmlichen Straßenverkehr hingegen der Modus 0. Im Modus 1 wurden die Grenzwerte der Euro 5-Norm eingehalten, im Modus 0 hingegen nicht. Nur aufgrund dieser Software, die erkennt, dass das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen wird, hielt der Motor während des Prüfstandtests die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte ein. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wurde das Fahrzeug anderweitig betrieben, nämlich im sogenannten "Modus 0" mit einer geringeren Abgasrückführungsrate. Dies hatte zur Folge, dass der Stickoxidausstoß höher war.

Die Entscheidung für den Einsatz der Software wurde von der Beklagten zu 1) in den Jahren 2005/2006 getroffen. Deren Verwendung hatte die Beklagte zu 1) dabei weder im Rahmen des Tests zwecks Erreichung der Typgenehmigung für das Fahrzeug noch bei der Bewerbung des Fahrzeugs am Markt offengelegt. Diese Zusammenhänge wurden erst im Herbst 2015 öffentlich bekannt:

Unter dem 22.09.2015 veröffentlichte die Beklagte zu 1) eine "Ad-hoc-Mitteilung" nach § 15 WpHG: "X informiert." Darin hieß es unter anderem:

"... Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ FG 45 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. ..."

Nach dem Bekanntwerden der Softwareproblematik sprach das Kraftfahrt-Bundesamt mit Beschluss vom 14.10.2015 die Verpflichtung zur Entfernung der nach Einschätzung der Behörde unzulässigen Abschalteinrichtung aus. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als Nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 II EG-FGV an, dass die betroffenen Hersteller zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet sind, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Der Beschluss des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14.10.2015 wurde von den Beklagten nicht angegriffen.

Die Beklagte zu 1) entwickelte daraufhin ein Softwareupdate. Mit Bescheid vom 03.11.2016 (Datum 21.11.2016) gab das Kraftfahrt-Bundesamt eine technische Maßnahme (zumindest das Software-Upda...

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