Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Sittenwidrigkeit einer Bauvertragsklausel, die unbefristete Bürgschaft als Sicherheitseinbehalt vorsieht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung eines aus mehreren Vertragsteilen bestehenden Bauvertrags.

2. Die Klausel eines Bauvertrags, die einen lediglich durch unbefristete Bürgschaft ablösbaren Sicherheitseinbehalt vorsieht, benachteiligt - sofern es sich nicht um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handelt - den Auftragnehmer nicht unangemessen und ist daher erst recht nicht als Individualvereinbarung sittenwidrig.

3. Übergibt der Auftragnehmer dem Auftraggeber zur Ablösung eines Sicherheitseinbehaltes eine unbefristete Bürgschaft, worin der Bürge - ohne entsprechende vertragliche Verpflichtung - weitgehend auf Einreden und Rechte verzichtet, dann ist der Auftraggeber nicht zum Austausch der gestellten Bürgschaft gegen Übergabe einer einfachen unbefristeten Bürgschaft berechtigt, es sei denn, ein entsprechendes Austauschrecht ist vertraglich vereinbart worden.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 371, 812; VOB/B § 17 Nr. 8

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 22.07.2004; Aktenzeichen 43 O 56/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.7.2004 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Von einer Sachverhaltsdarstellung wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

B. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Beurteilung richtet sich nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden materiellen Recht (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).

Zu Recht hat das LG die auf Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaftsurkunde und auf Erstattung von Avalzinsen nebst Verzugszinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaftsurkunde der H.-AG vom 1.8.1996 im Original (I.) noch einen Anspruch auf Erstattung von Avalzinsen für den Zeitraum vom 8.12.2000 bis zum 31.7.2004 i.H.v. 164,09 EUR nebst Verzugszinsen (II.).

I. Die Klägerin kann die Herausgabe der streitgegenständlichen Gewährleistungsurkunde nicht verlangen, und zwar weder gem. § 371 BGB oder nach § 17 Nr. 8 VOB/B (1) noch gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB (2) und auch nicht gem. § 242 BGB (3). Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin als Sicherungsgeberin überhaupt grundsätzlich berechtigt ist, die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an sich selbst zu verlangen, oder ob nur ein Anspruch auf Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an den Bürgen in Betracht kommt (nach OLG Düsseldorf v. 19.6.2002 - 19 U 37/01, OLGReport Düsseldorf 2003, 366 = BauR 2002, 1714 = NJW-RR 2003, 668 ist grundsätzlich nur ein Anspruch des Sicherungsgebers auf Herausgabe der Bürgschaft an den Bürgen gegeben).

1. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaftsurkunde gem. § 371 BGB oder nach § 17 Nr. 8 VOB/B besteht jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht, weil die Gewährleistungsfrist von zehn Jahren und einem Monat aus dem zu Grunde liegenden Bauvertrag unstreitig noch nicht abgelaufen ist.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaftsurkunde gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB - auch nicht Zug um Zug gegen Stellung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft. Denn die Beklagte besitzt die Gewährleistungsbürgschaftsurkunde nicht ohne Rechtsgrund. Der Rechtsgrund für den Besitz der Bürgschaftsurkunde ergibt sich jedenfalls bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist aus der Regelung über die Ablösung des Gewährleistungseinbehaltes durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft (Sicherungsabrede) aus dem zwischen der Klägerin und der "B. Bürogebäude" (B.) geschlossenen Bauvertrag vom 19.5.1995. Die Beklagte ist - was zwischen den Parteien unstreitig ist - als ehemalige Mitgesellschafterin der B., nach dem Ausscheiden der einzigen anderen Mitgesellschafterin - der I. AG -, nunmehr alleinige Vertragspartnerin der Klägerin aus dem Bauvertrag. Der Bauvertrag enthält die folgende Sicherungsabrede:

"Bei der Schlusszahlung wird eine Sicherheit i.H.v. 5 % des Bruttorechnungsbetrages für die Dauer der Gewährleistungsfrist einbehalten, die der AN durch eine unbefristete Bankbürgschaft ablösen wird."

Diese in Ziff. 7.3 des Verhandlungsprotokolls vom 12.5.1995 enthaltene Regelung ist Bestandteil des Bauvertrages geworden und entgegen der Ansicht der Klägerin nicht wegen widersprüchlicher Regelungen in anderen Vertragsteilen bzw. wegen Intransparenz gem. §§ 5, 9 AGBG oder §§ 154, 155 BGB unwirksam (a). Sie ist auch nicht wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin durch ihre inhaltliche Ausgestaltung gem. § 9 AGBG oder wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB unwirksam (b). Die Regelung stellt schließlich entgegen der Ansicht der Klägerin einen Rechtsgrund i.S....

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