Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung: Ausschluss von Unfällen durch Geistes- oder Bewusstseinsstörung

 

Leitsatz (amtlich)

Behauptet der Versicherer eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung als Unfallursache, so hat sich der Versicherungsnehmer dazu zu erklären (sekundäre Darlegungslast). Macht der Versicherungsnehmer keine näheren Angaben und bleibt als plausible Erklärung für den Unfall nur eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung, so ist diese als Unfallursache anzusehen.

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Urteil vom 06.06.2007; Aktenzeichen 12 O 256/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 6.6.2007 verkündete Urteil der Zivilkammer II des LG Detmold wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung gemäß dem Nachtrag vom 15.6.2005 (Bl. 6 f.) und den beigezogenen Unfallversicherungsbedingungen (... UB 2005) und den Besonderen Zusatzbedingungen Nr. 62 und 76 (Bl. 56 f.).

In der Nacht auf den 11.7.2005 ging der Kläger nach dem Genuss von etwas Alkohol gegen 1.00 Uhr zu Bett.

Das Schlafzimmer des Klägers liegt im 1. Stockwerk des Hauses und wird von ihm allein benutzt. Das Fenster des Schlafzimmers war geöffnet. Es hat eine Brüstungshöhe von 82,5 cm. Im Verlauf der Nacht stürzte der Kläger aus dem Schlafzimmer und wurde dabei erheblich verletzt. Er hatte am Kopf eine Prellmarke links frontal mit Schürfwunde. Am rechten Ellbogen wurde eine Monteggia-Läsion (Olocranon- und Radiusköpfchen-Fraktur), am linken Ellbogen wurde eine Radiusköpfchen-Trümmerfraktur diagnostiziert. An der linken Hand wurde eine tarnsscaphoidale perilunäre Luxations-Fraktur festgestellt. Der Kläger wurde stationär behandelt und am 11.7., 15.7. und 18.8.2005 an den Frakturen operiert. Es erfolgte eine osteosynthetische Versorgung mittels Verschraubungen, Zuggurtung und Zerclagen.

Die in den rechten Arm implantierten Platten und Drähte wurden am 29.11. bis 9.12.2005 operativ entfernt. Vom 15.8.-12.9.2005 und 7.2.-28.2.2006 fanden stationäre Reha-Maßnahmen statt.

Der Kläger ließ den Unfall der Beklagten telefonisch durch seine Schwester am 18.7.2005 melden.

Mit Schreiben vom 6.10.2005 (Bl. 9) lehnte die Beklagte Versicherungsleistungen ab.

Die mit anwaltlichem Schreiben vorgetragenen Gegenvorstellungen des Klägers vom 14.12.2005 (Bl. 10 f.) wies die Beklagte mit Schreiben vom 9.1.2006 (Bl. 12 f.) zurück.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Schadensfall vom 11.7.2005 sei ein Unfall, für den die Beklagte die vereinbarten Leistungen erbringen müsse. Er habe den Schaden ordnungsgemäß angemeldet und dabei auch die Ziff. 2.1.1.1 der Versicherungsbedingungen eingehalten. Der Beklagten liege ein Gutachten des Klinikums L vom 28.8.2005 (Bl. 68 ff.) vor.

Er wisse nicht mehr, wie es zu dem Sturz aus dem Fenster gekommen sei. Ein Schlafwandeln sei jedenfalls ausgeschlossen. Er sei kein Schlafwandler; weder vor noch nach dem hier streitigen Ereignis sei es bei ihm zum Schlafwandeln gekommen. Eine bewusste Selbstschädigung scheide aus. Auch habe bei ihm keine Bewusstseinsstörung vorgelegen. Vor dem Sturz aus dem Fenster sei lediglich eine vorübergehende Kreislaufstörung eingetreten, welche den Unfall ausgelöst habe.

Die verbliebenen Unfallfolgen seien erheblich. Nach wie vor leide er unter einer Funktionseinschränkung beider Ellenbogengelenke sowie des linken Handgelenks. Wegen peristierender Funktionsstörungen in dem linken Handgelenk sowie in beiden Ellenbogengelenken sei das Heben und Tragen sowie die Feinmotorik eingeschränkt. Dieserhalb betrage der Invaliditätsgrad über 50 %. Die Beklagte müsse die dafür vorgesehenen Leistungen aus der Unfallversicherung erbringen. Zudem schulde sie aus dem vorbezeichneten Versicherungsvertrag Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für Leistungen aus dem Versicherungsvertrag nicht erfüllt. So fehle es an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung gem. Ziff. 2.1.1.1 der Versicherungsbedingungen.

Die vom Kläger behaupteten Beeinträchtigungen seines linken Handgelenks sowie beider Ellenbogengelenke würden mit Nichtwissen bestritten. Der von ihm geltend gemachte Invaliditätsgrad sei nicht gegeben.

Der Unfall könne nur durch Schlafwandeln oder eine - wenn auch kurzfristige - Bewusstseinsstörung erklärt werden. Deshalb seien keine Leistungen aus dem Versicherungsvertrag geschuldet.

Das LG hat die Klage ohne Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen.

Dem Kläger stünde ein Anspruch auf Leistungen aus dem Versicherungsvertrag nicht zu.

Nach Ziff. 4.1.1. der vereinbarten Versicherungsbedingungen bestünde kein Schutz für Unfälle der versicherten Person durch Geistes- oder Bewusstseinsstörung...

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