Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Im Jugendstrafverfahren gelten hinsichtlich der Beiordnung eines Pflichtverteidigers unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tat dieselben Grundsätze wie im allgemeinen Strafrecht.

  • 2.

    Auch im Jugendstrafverfahren ist daher unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tat eine Pflichtverteidigerbestellung grundsätzlich erst bei einer Straferwartung von einem Jahr erforderlich. Allerdings kann, wenn eine Verhängung einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und mehr droht, nicht allein auf die rechnerische Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe abgestellt werden. Maßgebend ist vielmehr, in welchem Umfang sich die neu zu verhängende Einheitsjugendstrafe faktisch auf das Leben des Jugendlichen oder Heranwachsenden auswirkt.

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Entscheidung vom 25.09.2002)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Bielefeld vom 25. September 2002 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Bielefeld vom 25.09.2002 wegen Bedrohung unter Einbeziehung der Entscheidungen des Amtsgerichts Bielefeld vom 13. Juli 2000 (19a Ls 35 Js 773/00 - P 3/00) und vom 22.01.2001 (19a Ls 35 Js 1266/00) sowie des Amtsgerichts Herford vom 18.04.2002 (3b Ls 35 Js 1349I01 (36/02)) zu einer neuen Einheitsjugendstrafe von 2 Jähren und 2 Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts zu den persönlichen Verhältnissen- und strafrechtlichen Vorbelastungen des zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zwanzig Jahre alten Angeklagten ist dieser im Jahre 1995 mit seinen Eltern und seiner Schwester von Kirgisien nach Deutschland übergesiedelt. Er erlangte im Jahre 1999 den Hauptschulabschluss, absolvierte aber keine Berufsausbildung und ist seit dem Jahre 2000 arbeitslos. Er ist ledig und kinderlos.

Bereits seit seinem 13. Lebensjahr trinkt der Angeklagte vermehrt Alkohol. Etwa im Sommer 1998 begann er mit dem Konsum harter Drogen.

Am 02.12.1999 wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld wegen Diebstahls mit einer Geldauflage belegt.

Ab dem 23.06.2000 befand er sich für das Verfahren 19a Ls 35 Js 773/00 Amtsgericht Bielefeld für gut drei Wochen in Untersuchungshaft. Am 13.07.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Bielefeld in diesem Verfahren wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in zwölf Fällen, davon drei Mal in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, zu einer Jugendstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Angeklagte hatte in allen Fällen höherwertige alkoholische Getränke gestohlen, die er verkaufte, um damit seine bereits damals bestehende Drogensucht zu finanzieren.

Auch nach seiner Entlassung aus der Haft trank der Angeklagte weiter und spritzte Heroin. Auf Betreiben seiner Bewährungshelferin unterzog sich der Angeklagte dann einer Entgiftung und arbeite anschließend bei einer Leiharbeitsfirma.

Am 09.10.2000 kam der Angeklagte erneut in Untersuchungshaft. Am 22.01.2001 wurde er durch das Amtsgericht Bielefeld (19a Ls 35 Js 1266/00) unter Einbeziehung der vorgenannten Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls im besonders schweren Fall in fünf Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Auch bei diesen Taten hatte der Angeklagte jeweils mehrere Flaschen Whiskey und Cognac entwendet, die er weiterverkaufte, um damit wiederum Geld für den Kauf von Drogen zu haben. Er verbüßte diese Strafe bis zum 13.05.2002 in der Justizvollzugsanstalt Herford. Selbst dort kam es zu Alkoholmissbrauch.

Bevor der Angeklagte die vorgenannte Strafe voll verbüßt hatte, nämlich am 18.04.2002, wurde er durch das Amtsgericht Herford (3b Ls 34 Js 1349/01 (36/02)) wegen Nötigung unter Einbeziehung des Urteils vom 22.01.2001 zu einer neuen Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Gegenstand dieser Verurteilung war, dass der Angeklagte während seiner Haftzeit anlässlich eines Umschlusses am 26.08.2000 auf der Zelle des E.B. diesem gegenüber eine drohende Haltung angenommen hatte, die dazu führte, dass dieser verängstigt den ihm erteilten Anweisungen des Angeklagten folgte, So forderte der Angeklagte den B. auf, zu tanzen, was dieser auch tat. Schließlich forderte der Angeklagte den B. auf, sich den Stiel einer Toilettenbürste in den Anus zu schieben. Auch dieser Aufforderung kam E.B. aus Angst vor dem Angeklagten nach.

Diese neue Einheitsjugendstrafe ist noch nicht vollständig vollstreckt worden.

Nach seiner Entlassung aus der Haft am 13.05.2002 hat sich der Angeklagte um Weiterbildungsmöglichkeiten bemüht. Seit Anfang September 2002 ist er bei der Volkhochschule eingeschrieben und will dort den Realschulabschluss nachholen.. Nach seinen Angaben trinkt er nur noch wenig Alkohol und konsumiert auch keine Drogen mehr.

Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Nachdem der Angeklagte am 13.05.2002 aus der Strafhaft, die er in d...

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