Leitsatz (amtlich)

1. Der Insolvenzzweck rechtfertigt nicht den Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen Lastschriften auf dem Konto des Schuldners. Der Insolvenzverwalter kann für die Masse nicht mehr und keine anderen Rechte beanspruchen, als sie dem Schuldner bei Eröffnung des Verfahrens zustehen (Bestätigung von Senat, NJW 1985, 865).

2. Daher sind weder der Schuldner noch der vorläufige Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren zum Widerspruch gegen eine Lastschrift berechtigt, nur um hiermit ausreichende Mittel für eine Eröffnung des Verfahrens zu sichern.

3. Der Widerspruch gegen eine Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren ist selbst beim Fehlen einer Einzugsermächtigung nicht gerechtfertigt, wenn der Schuldner dem Kreditinstitut stattdessen einen Abbuchungsauftrag erteilt hatte.

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Urteil vom 24.06.2003; Aktenzeichen 1 O 32/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 04.11.2004; Aktenzeichen IX ZR 28/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.6.2003 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Siegen abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser durch den vollständigen oder teilweisen Ausfall mit der Forderung in Höhe von 24.413,64 Euro

(Rechnung Nr. 208129 vom 13.6.2002 über 74,73 Euro

Rechnung Nr. 208224 vom 14.6.2002 über 5.904,81 Euro

Rechnung Nr. 208278 vom 13.6.2002 über 571,30 Euro

Rechnung Nr. 207273 vom 13.5.2002 über 4.924,22 Euro

Rechnung Nr. 207559 vom 31.5.2002 über 5.713,01 Euro

Rechnung Nr. 206808 vom 10.5.2002 über 6.324,30 Euro

Rechnung Nr. 206650 vom 15.5.2002 über 901,27 Euro)

in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH mit dem Sitz in L. (AG Siegen – 25 IN 191/02) entstehen wird.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Feststellungsklage auf Schadensersatz in Anspruch, weil diese, nachdem sie am 15.7.2002 zur vorläufigen (sog. schwachen) Insolvenzverwalterin der G. GmbH bestellt worden war, die Schuldnerin veranlasst hat, allen Lastschriften, die dem Konto der Schuldnerin in den letzten 6 Wochen belastet worden waren, zu widersprechen. Hierdurch wurde u.a. ein Betrag von 24.413,64 Euro zurückgebucht, den die Klägerin als vereinbarte Vergütung für erbrachte Leistungen im Lastschriftverfahren vom Konto der Schuldnerin eingezogen hatte.

Am 1.10.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, Der zurückgebuchte Betrag ist zur Masse geflossen. Die Klägerin wird mit ihren Forderungen zumindest teilweise ausfallen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, durch welches das LG die Klageforderung abgewiesen hat. Es hat dies damit begründet, dass weder eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung noch eine auch nur fahrlässige Pflichtverletzung der Beklagten vorliege. Der Rückruf von Lastschriften sei nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn gezielt ein Gläubiger ohne anerkennenswerten Grund ggü. anderen begünstigt oder bevorzugt werden solle. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Die Beklagte habe entspr. dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger gehandelt, indem sie durch Widerruf aller Lastschriften aus den letzten 6 Wochen vor ihrer Bestellung zur Verwalterin für eine entspr. Mehrung der Masse gesorgt habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Berufung auf die Senatsentscheidung (OLG Hamm, Urt. v. 22.1.1985 – 27 U 156/84, MDR 1985, 418 = NJW 1985, 865) ihr abgewiesenes Begehren weiterverfolgt.

Sie wiederholt ihre Auffassung, dass der Insolvenzverwalter das Widerspruchsrecht im Lastschriftverfahren nur ausüben dürfe, wenn der zum Einzug gegebene Lastschriftbetrag nicht geschuldet werde oder sonstige anerkennenswerten Gründe den Schuldner davon abgehalten hätten, den Betrag zu zahlen. Widerspreche er dagegen einer berechtigten Lastschrift, so nutze er eine formale Rechtsstellung in rechtsmissbräuchlicher Weise aus.

Darüber hinaus habe das LG sich nicht mit der Frage nach den Aufgaben der vorläufigen Insolvenzverwalterin auseinander gesetzt. Diese habe nicht die Aufgabe gehabt, eine Forderung auf Rückzahlung von Werklohn gegen sie, die Klägerin, durchzusetzen; eine solche Forderung habe es nicht gegeben. Des Weiteren gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz aller Insolvenzgläubiger erst im eröffneten Verfahren, und im Falle der Barzahlung hätte auch keine Rückrufmöglichkeit bestanden. Barzahlungen seien im fraglichen Zeitraum noch in großem Umfang erfolgt.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie beruft sich zunächst darauf, dass die Rückrufe von der Schuldnerin vorgenommen worden seien. Zwar sei die Initiative hierzu von ihr ausgegangen. Das sei aber unverbindlich gewesen; als vorläufige „schwache” Verwalterin habe sie der Schuldnerin keine bindenden Weisungen erteilen können.

Im Übrigen vertieft sie ihre Auffassung, dass der Rückruf der Lastschrift zum einen schon deshalb gerechtfert...

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