Leitsatz (amtlich)

Kommt es in an sich streupflichtiger Zeit (1920/1940) zur Glättebildung auf einer Fahrbahn im ländlichen Bereich und in Folge dessen zu einem Unfall, begründet das nicht schon ohne weiteres den Vorwurf einer kommunalen Verkehrssicherungspflichtverletzung; denn die für die Aufnahme von Streumaßnahmen notwendige Rüstzeit der Gerätschaften kann Streumaßnahmen, die erst außerhalb streupflichtiger Zeit beginnen könnten, unzumutbar machen.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 10.02.2004; Aktenzeichen 5 O 256/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das am 10.2.2004 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, den von der Beklagten gegen ihn geltend gemachten Betrag zur Reparatur der am 15.12.2002 beschädigten Straßenlaterne zu ersetzen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 72 % und der Beklagten zu 28 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Am 15.12.2002 gegen 21.30 Uhr befuhr der Kläger in L. die Straße T. und stieß im Bereich der Einmündung in die Straße S. bei Fahrbahnglätte gegen eine dort stehende Straßenlaterne. Dabei wurde sein Pkw geringfügig beschädigt. Ferner entstand ein Schaden an der Laterne, den die Beklagte dem Kläger außerprozessual in Rechnung gestellt hat. Die Verantwortlichkeit für diese Schäden ist zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger vertritt die Auffassung, der Unfall sei ausschließlich auf eine schuldhafte Streupflichtverletzung der Beklagten in Form nicht rechtzeitiger Streumaßnahmen sowie Mangelhaftigkeit des Fahrbahnbelages zurückzuführen. Er stellt seine eigene Verantwortlichkeit für den von der Beklagten berechneten Schaden an der Laterne ferner mit der Behauptung in Abrede, an demselben Abend seien an der Unfallstelle noch mehrere andere Fahrzeuge gegen die Laterne gestoßen, so dass der Urheber dieses Schadens nicht feststehe. Mit der vorliegenden Klage hat er (positive) Feststellung einer Einstandspflicht der Beklagten für sämtliche ihm aus dem Unfallereignis entstandenen Schäden, hilfsweise Zahlung von 1.372,38 Euro, sowie (negative) Feststellung seiner Verantwortlichkeit für die ihm in Rechnung gestellten Reparaturkosten der Laterne begehrt.

Die Beklagte tritt diesem Begehren entgegen. Sie stellt eine Verletzung der ihr obliegenden Streupflicht in Abrede, bestreitet die von dem Kläger behaupteten Schäden der Höhe nach und hält einen eigenen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten der Straßenlaterne für berechtigt.

Das LG hat nach Anhörung des Klägers und Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen. Es hat eine Streupflichtverletzung der Beklagten verneint, eine Haftung wegen mangelhafter Fahrbahn aufgrund überwiegenden Eigenverschuldens des Klägers zurücktreten lassen und die Ursächlichkeit des Anstoßes des Kläger-Pkw für die in Rechnung gestellte Beschädigung der Laterne als bewiesen angesehen.

Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seine bisher gestellten Hauptanträge in vollem Umfang weiter, wobei er die rechtliche Beurteilung wie auch die Beweiswürdigung des LG angreift.

II. Die zulässige Berufung ist zu einem Teil begründet.

1. Erfolglos wendet sich der Kläger gegen das angefochtene Urteil, soweit er (positive) Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für die ihm entstandenen Schäden begehrt. Ein eigener - gem. § 839 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 StrReinG, Art. 34 GG in Betracht kommender - Schadenersatzanspruch steht ihm nach den Umständen des Falles nicht zu.

Es bestehen schon Zweifel, ob an der Unfallstelle die räumlichen Voraussetzungen einer Streupflicht der Beklagten vorgelegen haben. Nach § 1 Abs. 2 StrReinG NW sind innerhalb geschlossener Ortslagen die Fahrbahnen nur an gefährlichen und verkehrswichtigen Stellen gegen winterliche Glätte zu sichern. Die Einmündung einer untergeordneten in eine bevorrechtigte Straße stellt dabei nur dann eine gefährliche Stelle in diesem Sinne dar, wenn weitere erhebliche gefahrerhöhende Umstände hinzukommen, die die Möglichkeit eines Unfalles auch für den Fall nahelegen, dass Verkehrsteilnehmer die im Winter allgemein erforderliche Sorgfalt walten lassen (BGH v. 3.5.1984 - III ZR 34/83, MDR 1985, 300 = VersR 1984, 890 m.w.N.). Ob das von dem Kläger angegebene Gefälle hierzu ausreicht, erscheint zumindest fraglich. Auch für die Annahme eines die Verkehrswichtigkeit begründenden erheblichen Verkehrsaufkommens an der Unfallstelle fehlen hinreichend sichere Erkenntnisse. Eine andere Beurteilung kann schließlich auch nicht schon daraus hergeleitet werden, dass der Unfallbereich in den Streuplan der Beklagten aufgenommen worden war, da dies auch überobligationsmäßig geschehen sein kann und die gesetzlichen Voraussetzungen der Streupflicht nicht zu ersetzen vermag.

Ganz unabhängig von diesen Bedenken scheitert ein Schadenersatzanspruch des Klägers jedenfalls daran, dass die zeitlichen V...

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