Verfahrensgang

LG Detmold (Entscheidung vom 11.03.2010; Aktenzeichen 9 O 223/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 11.03.2010 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.255,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen der Kläger zu 18 % und das beklagte Land zu 82 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt das beklagte Land.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I.

Der Kläger, der sich zwischen Februar und April 2009 in der vor dem 01.01.1977 errichteten Justizvollzugsanstalt (im Weiteren: JVA) Detmold in Strafhaft befand, verlangt von dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe ihm mit Beschluss des Landgerichts vom 08.09.2009 bewilligter Prozesskostenhilfe Zahlung einer Entschädigung wegen seines Erachtens menschenunwürdiger gemeinschaftlicher Haftunterbringung für insgesamt 79 Tage in Höhe von insgesamt 1.538,00 €.

Der Kläger war innerhalb des von dem Entschädigungsbegehren umfassten streitgegenständlichen Zeitraums nach den in der Berufungsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen im Urteil des Landgerichts wie folgt gemeinschaftlich untergebracht:

Vom 20.02.2009 bis zum 22.02.2009 bewohnte er mit zwei Mitgefangenen den Haftraum A 063, der über eine Haftraumgrundfläche von 14,08 qm sowie eine mittels Schamwand abgetrennte Toilette verfügte. Vom 23.02.09 bis zum 02.03.2009 bewohnte er mit einem Mitgefangenen den Haftraum B 212, der eine Grundfläche von 9,06 qm hatte und dessen Toilette gleichfalls mittels einer Schamwand abgetrennt war. Am 03. und 04.03.2009 bewohnte der Kläger den Haftraum A 060 allein. Vom 05.03.2009 bis zum 30.04.2009 war der Kläger schließlich mit je einem Mitgefangenen in den von der Ausstattung identischen Hafträumen B 212 und B 221 untergebracht, die jeweils eine Grundfläche von 9,06 qm hatten und deren Toiletten ebenfalls mittels einer Schamwand abgetrennt waren.

Vom 01.04.2009 bis zum 07.04.2009 sowie vom 09.04.2009 bis zum 22.04.2009 ging der Kläger werktags von 06.45 Uhr bis ca. 16.00 Uhr einer Beschäftigung außerhalb des Haftraums nach.

Der Kläger wurde auf eine Warteliste für Einzelhaftraumanwärter gesetzt. Förmliche Rechtsmittel gegen die Art seiner Unterbringung hat der Kläger nicht eingelegt.

Erstinstanzlich haben die Parteien darüber gestritten, ob der Kläger einen anstaltsinternen Verlegungsantrag für einen Einzelhaftraum gestellt hat und ob seine Unterbringung menschenunwürdig war, auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Landes beruhte und einen geldwerten Entschädigungsanspruch nach sich zieht. Zudem hat das beklagte Land erstinstanzlich hilfsweise die Aufrechnung mit ihm gegenüber dem Kläger zustehenden Verfahrenskosten der Staatsanwaltschaft Paderborn erklärt.

Das Landgericht hat das beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.318,- € für insgesamt 79 Kalendertage verurteilt. Dabei ist das Landgericht grundsätzlich von einem Entschädigungssatz von 20,- €/Kalendertag ausgegangen, wobei es für die 21 Tage der Arbeitstätigkeit des Klägers einen Abzug von 2,- € vorgenommen hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, da dem Kläger und seinen jeweiligen Mitgefangenen während der gemeinschaftlichen Unterbringung nicht jeweils mindestens 5 qm Haftraumgrundfläche zur Verfügung gestanden hätten und eine vollständig baulich abgetrennte Toilette nicht vorhanden gewesen sei, sei der Kläger menschenunwürdig untergebracht gewesen, was eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Landes darstelle. Der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 3 BGB greife nicht ein. Zwar sei streitig, ob der Kläger es schuldhaft unterlassen habe, ein Rechtsmittel gegen die Art und Weise der Unterbringung einzulegen, das beklagte Land habe aber nicht schlüssig dargetan, dass ein solches Rechtsmittel in der damaligen Situation angesichts der ständigen Überbelegung der JVA Detmold im streitgegenständlichen Zeitraum trotz des Vorhandenseins von Einzelhafträumen und sog. Schlichtzellen zu einer vorzeitigen Beendigung der gemeinschaftlichen Unterbringung geführt hätte. Jeder Gefangene sei auf eine Warteliste gesetzt worden. Sobald mehr als zwei oder drei Gefangene sich an die Strafvollstreckungskammer (im Weiteren: StVK) gewandt hätten, wäre der Weg über die Verlegung in Einzelhafträume oder Schlichtzellen nicht mehr gangbar gewesen, sondern es hätte auf die Warteliste zurückgegriffen werden müssen, da insbesondere Schlichtzellen für Gefangene hätten vorgehalten werden müssen, die aufgrund besonderer Problemsituationen der Einzelunterbringung bedürft hätten. Der weitere Vortrag des Landes zu Verlegungsmöglichkeiten aufgrund der Fluktuation und der Bereitschaft einzeln untergebrachter Gefangener, sich gemeinsch...

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