Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsbestimmung beim Kindesunterhalt; Höheres Einkommen des betreuenden Elternteils

 

Leitsatz (redaktionell)

Verfügt der betreuende Elternteil über ein wesentlich höheres Einkommen als der barunterhaltspflichtige Elternteil, dessen angemessener Unterhalt i.S.d. § 1603 Abs. 1 BGB durch die Leistung des Mindestunterhalts gefährdet wäre, schuldet der barunterhaltspflichtige Elternteil Kindesunterhalt, soweit er oberhalb des angemessenen Eigenbedarfs von 1.100,00 EUR hierzu in der Lage ist.

 

Normenkette

BGB §§ 1603, 1606 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Herne-Wanne (Urteil vom 13.06.2008; Aktenzeichen 2 F 68/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.6.2008 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Herne-Wanne abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, Kindesunterhalt für die am 8.12.1996 geborene Tochter E E1 wie folgt zu zahlen:

  • für den Zeitraum Februar 2007 bis einschließlich Januar 2008 i.H.v. insgesamt 1.376 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.2.2008,
  • für Februar 2008 194 EUR,
  • für Juli 2008 55 EUR,
  • für August 2008 178 EUR,
  • für den Zeitraum September 2008 bis einschließlich Januar 2009 i.H.v. monatlich 39 EUR und
  • ab Februar 2009 i.H.v. monatlich 178 EUR;

die weitergehende Klage wird abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für die Berufung: 2.385 EUR

 

Gründe

(abgekürzt nach § 540 Abs. 1 ZPO):

I. Die Parteien sind Eheleute, die um Kindesunterhalt streiten. Sie trennten sich Anfang 2007, indem der Beklagte aus der Ehewohnung auszog. Dabei handelte es sich um einen finanzierten, im gemeinsamen Eigentum stehenden Teil eines Zechenhauses. Die am 8.12.1996 geborene gemeinsame Tochter E blieb bei der Klägerin. Ende April 2007 verließ auch die Klägerin mit der Tochter die Ehewohnung. Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 6.2.2007 zur Auskunft über sein Einkommen auf. Wie in der Verhandlung vor dem Senat unstreitig wurde, hat der Beklagte Zahlungen auf den Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 245 EUR für den Zeitraum Oktober 2007 bis einschließlich Januar 2008 sowie für den Zeitraum März bis Juni 2008 und i.H.v. monatlich 139 EUR für Juli 2008 sowie für den Zeitraum September 2008 bis einschließlich Januar 2009 erbracht.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte verfüge über ein monatliches Einkommen von 1.291,90 EUR abzgl. des Netto-Arbeitgeberbeitrags von 17,28 EUR im Rahmen der Vermögenswirksamen Leistungen. Sie hat einen Unterhaltsanspruch der Tochter von monatlich 257 EUR betreffend den Zeitraum Februar-Juni 2007, von monatlich 254 EUR betreffend den Zeitraum Juli-Dezember 2007 sowie von monatlich 278 EUR ab Januar 2008 errechnet.

Der Beklagte hat behauptet, bis Juli 2007 ein Arbeitgeberdarlehen mit monatlich 200 EUR zurückgeführt zu haben, so dass er nur 1.093,22 EUR und unter Berücksichtigung eines Gewerkschaftsbeitrags von 12 EUR lediglich 1.081,22 EUR monatlich zur Verfügung gehabt habe. Demgegenüber habe die Klägerin im Jahre 2007 über ein monatliches Netto-Einkommen von 2.275,89 EUR verfügt, ferner über eine Steuererstattung von 1.788,96 EUR sowie über die Eigenheimzulage von 2.050 EUR, so dass sie insgesamt auf ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 2.595,80 EUR gekommen sei. Die Klägerin, so hat er gemeint, sei deshalb verpflichtet, den gesamten Barunterhalt für die gemeinsame Tochter zu zahlen.

Die Klägerin hat dem entgegengehalten, ihr Einkommen "nur mit viel Mühe" zu erzielen, da sie seit 2005 unter Depressionen leide, im September 2006 einen Hinterwandinfarkt erlitten habe und seither allein bis Mai 2008 weitere fünf stationäre Aufenthalte, zumeist zur Implantierung von Stents, erforderlich geworden seien. Darüber hinaus habe sich ein insulinpflichtiger Diabetes eingestellt. Sie gelte als schwerbehindert mit einem GdB von 60 v.H.

Das Familiengericht hat den Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts i.H.v. 139 EUR ab Februar 2008 verurteilt.

Gegen das ihr am 23.6.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.7.2008 Berufung eingelegt und sie mit einem am Montag, dem 25.8.2008, eingehenden Schriftsatz begründet. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter, allerdings für die Zeit ab Dezember 2008 in erhöhtem Umfang wegen des Wechsels E in die 3. Altersstufe. Sie meint, der Beklagte könne sich ggü. dem Kindesunterhalt nicht auf ein erst nach der Trennung aufgenommenes Arbeitgeberdarlehen berufen. Ein Ausnahmefall, in dem der betreuende Elternteil auch den Barunterhalt zu zahlen habe, liege nicht vor. Denn es seien auch die von ihr getragenen Kosten zu berücksichtigen. Für die gemeinsame Tochter zahle sie für die Übermittagbetreuung halbjährlich ab dem Schuljahr 2007/2008 448 EUR bzw. 487 EUR sowie weitere monatlich 20 EUR für Nachhilfe. Für das leerstehende Haus, dessen Verkauf der Beklagte zunächst verweigert habe, habe sie mon...

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