Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzung für einen Anspruch des Erben gemäß § 2287 BGB ist, dass dieser durch die unentgeltliche Verfügung objektiv beeinträchtigt worden ist. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Erblasser das für ihn bindend gewordene frühere Testament noch hätte gem. § 2079 BGB anfechten können.

2. Der Erblasser kann daher zum Nachteil des Vertrags- oder Schlusserben noch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 2283 Abs. 1 BGB Schenkungen vornehmen, auch wenn das Testament letztlich gar nicht angefochten wird.

 

Normenkette

BGB §§ 2079, 2283, 2287

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 12 O 217/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.02.2022 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 8.931,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus einem Betrag von 7.820,94 EUR seit dem 24.05.2022, aus weiteren 277,59 EUR seit dem 03.06.2022, aus weiteren 277,59 EUR seit dem 05.07.2022, aus weiteren 277,59 EUR seit dem 03.08.2022 und aus weiteren 277,59 EUR seit dem 05.09.2022 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 87 % und die Beklagte zu 13 %. Hinsichtlich der Kosten erster Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 68.390,65 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Kläger ist das einzige Kind des am 00.00.1941 geborenen und am 00.00.2014 verstorbenen Erblassers Q. L.. Die Beklagte ist dessen zweite Ehefrau.

Der Erblasser errichtete gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau G. L., der Mutter des Klägers, am 19.11.1997 ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben und den Kläger als Schlusserben einsetzten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Testaments (Bl. 9 GA) verwiesen.

Die erste Ehefrau des Erblassers verstarb im März 2001. In der Folgezeit lernte der Erblasser die im Jahr 1963 geborene Beklagte kennen. Im Jahr 2002 verkaufte er eine aus seiner Familie stammende Immobilie für 309.000,00 EUR. Zu dem Kläger hatte der Erblasser ab Dezember 2003 keinen Kontakt mehr.

Zumindest seit 2004 litt der Erblasser an einer chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Im Jahr 2007 gab die Beklagte ihre damalige Wohnung auf und zog zu dem Erblasser in die Mietwohnung X.-straße 00 in Z.. Am 00.00.2008 heirateten sie.

Mit notariellem Vertrag vom 13.02.2008 (UR-Nr. 98/2008 des Notars N. in B.) erwarben der Erblasser und die Beklagte zu einem Miteigentumsanteil von jeweils 1/2 die von ihnen bewohnte Wohnung in Z. für 80.000,00 EUR. Die Grundbuchumschreibung erfolgte am 25.08.2008 (Bl. 11 ff, 27 GA). Insofern hatte sich eine günstige Möglichkeit ergeben, nachdem die vormaligen Eigentümer der Immobilie in Insolvenz geraten waren.

Am 15.07.2012 errichtete der Erblasser ein privatschriftliches Testament, in welchem er die Beklagte zu seiner Alleinerbin einsetzte (Bl. 10 GA). Im Dezember 2013 wurde bei ihm Bauchspeicheldrüsenkrebs mit einer nur noch geringen Lebenserwartung festgestellt. Am 24.12.2013 erlitt die Beklagte einen Herzinfarkt und musste stationär im Krankenhaus verbleiben.

Am 08.01.2014 wurde der Beklagten ein Restguthaben von dem Konto des Erblassers bei der Sparkasse in Höhe von 15.010,83 EUR gutgeschrieben. Am 00.00.2014 verstarb der Erblasser. Er wohnte bis zuletzt zusammen mit der Beklagten in der gemeinsamen Eigentumswohnung.

Nach dem Tod des Erblassers ging die Beklagte zunächst davon aus, dass sie Alleinerbin geworden sei. Sie wickelte die Nachlassangelegenheiten ab und bezahlte die Beerdigung. Sie verkaufte am 15.09.2014 einen Wohnwagen des Erblassers für 2.900,00 EUR. Am 04.11.2014 löste die Beklagte das Konto des Erblassers bei der Sparkasse B. mit einem Guthaben von 697,26 EUR auf. Bis heute bewohnt sie die Eigentumswohnung in Z..

Die Beklagte beantragte bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht - Dortmund die Erteilung eines Alleinerbscheins. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 08.03.2016 zurückgewiesen und zur Begründung auf die bindende Schlusserbeneinsetzung in dem Berliner Testament vom 19.11.1997 zurückgegriffen. Die Beschwerde der Beklagten gegen diesen Beschluss wies das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 13.10.2016 zurück. Am 24.11.2016 wurde dem Kläger ein Alleinerbschein nach dem Erblasser erteilt (Bl. 6 GA).

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2016 v...

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