Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Wertes einer Versicherungsagentur

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Unternehmenswert einer Versicherungsagentur bemisst sich grds. nach dem Substanzwert. Ein Goodwill ist für eine derartige Agentur am Markt nicht zu realisieren, da die persönliche Leistung des Versicherungskaufmanns im Vordergrund steht.

2. Ein Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB gebietet keine andere Beurteilung, wenn ein solcher Anspruch am maßgeblichen Stichtag noch keinen Vermögenswert hatte, weil die Voraussetzungen für die Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht bestanden.

 

Normenkette

BGB §§ 1373 ff.; HGB § 89b

 

Verfahrensgang

AG Coesfeld (Urteil vom 07.09.2010; Aktenzeichen 5 F 65/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 7.9.2010 verkündete Urt. des AGs - Familiengericht - Coesfeld teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.319,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Beklagten und die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Klägerin zu 2/3 und dem Be-klagten zu 1/3 auferlegt.

Die Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen

Das Urt. ist vorläufig vollstreckbar.

Eine Revisionszulassung erfolgt nicht.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Zahlung eines Zugewinnausgleichs an die Klägerin nach Scheidung ihrer Ehe.

Die am 5.7.1952 geborene Klägerin und der am 30.5.1947 geborene Beklagte haben am 18.12.1970 die Ehe geschlossen, die nach der im Jahre 1996 erfolgten Trennung der Parteien seit dem 15.3.2001 rkr. geschieden ist. Die Zustellung des Scheidungsantrages des Beklagten erfolgte am 14.8.1998 an die Klägerin. Der Beklagte ist seit dem Jahre 2001 wieder verheiratet. Bereits während der Ehezeit betrieb er eine Versicherungsagentur für die M Versicherungs-AG, für die er Ausschließlichkeitsvertreter ist und die er auch heute noch führt. Die Agentur wird in dem im Eigentum seiner jetzigen Ehefrau stehenden Haus, in dem die Eheleute auch wohnen, betrieben.

Die Klägerin ist als Taxifahrerin tätig. Sie hatte während der Ehezeit im Wege der Erbfolge nach ihrem Vater einen hälftigen Miteigentumsanteil an einer Immobilie in H erhalten, die andere Hälfte übertrug ihr ihre Mutter im Wege vorweggenommener Erbfolge. Im November 2006 veräußerte sie diese Immobilie.

Die Klägerin leitete mit einer auf Auskunft und Zahlung von Zugewinnausgleich gerichteten Stufenklage das vorliegende Verfahren ein; mit Schriftsatz vom 5.11.2007 beanspruchte sie sodann die Zahlung eines Zugewinnausgleiches in Höhe von 111.177,92 EUR.

Die Parteien streiten in diesem Verfahren insbesondere darüber, ob auf Seiten des Beklagten aus dessen Tätigkeit als so genannter Ausschließlichkeitsvertreter der M-Versicherungen ein als Wert in seinem Endvermögen zu berücksichtigender Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB gegen diese Versicherung besteht. Der Beklagte führt hierzu aus, dass ihm eine freiwillige Veräußerung der Bestände nicht möglich sei; erst bei Vollendung des 65. Lebensjahres stehe ihm ein Ausgleichsanspruch zu, dessen Höhe derzeit überhaupt nicht absehbar sei. Außerdem bestehe bei der M eine betriebliche Altersversorgung aus 2 Lebensversicherungen, die jedoch mit einem geltend gemachten Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB verrechnet würden. Im Übrigen sei der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB im Zugewinnverfahren nicht zu berücksichtigen, da es sich hierbei um eine bloße Erwerbsaussicht des noch aktiven Handelsvertreters handele. Solange er noch als HV tätig sei, habe dieser Anspruch noch keinen Vermögenswert. Bei dem Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB handele es sich nicht um einen Versorgungsanspruch, sondern um einen Anspruch auf Vergütung für Vorteile, die der Unternehmer durch die Tätigkeit des Handelsvertreters erlangt habe. Ob dieser Anspruch in späterer Zeit einmal zum Tragen kommen werde, sei ungewiss.

Die Klägerin hingegen meint, dass der dem Beklagten gegen die M zustehende Ausgleichsanspruch dem Wert der von ihm betriebenen Versicherungsagentur entspreche. Der Bestand der Versicherungsagentur belaufe sich auf 1.500.000 bis 2.000.000 DM zum Stichtag 14.8.1998. Zudem sei der Ausgleichsanspruch gegen die M nicht nur aus den dynamischen Lebensversicherungen, sondern aus sämtlichen von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträgen zu errechnen.

Die M-Versicherung hat auf Anfrage des AGs eine Auskunft zur Höhe des möglichen Ausgleichsanspruches des Beklagten erteilt, in der sie zu einem Ausgleichsanspruch für sämtliche Versicherungssparten in Höhe von insgesamt 149.533,31 DM gelangte. Auf Antrag der Klägerin hat das AG zudem die Zeugen S, A und T2 - Mitarbeiter der M-Versicherung - am 6.2.2007 vernommen. Diese haben bekundet, dass der Ausgleichsanspruch des Beklagten gem. § 89b HGB nach den unterschiedlichen Versicherungssparten und innerhalb derselben nach un...

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