Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob der seine Berufsunfähigkeit geltend machende VN eine seiner bisherigen Lebensstellung entsprechende andere Tätigkeit ausüben kann, kommt es auf die für die Verweisungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowie darauf an, ob die neue Tätigkeit in ihrer Vergütung und sozialen Wertschätzung nicht deutlich unter das Niveau seiner zuvor ausgeübten Tätigkeit absinkt.

2. In welchem Umfang die Lebensstellung des VN von seiner ursprünglichen Ausbildung oder von einer davon abweichenden Berufserfahrung geprägt ist, hängt auch davon ab, wie weit er sich im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn durch die Ausübung ausbildungsferner Tätigkeiten von seinem ursprünglichen Ausbildungsberuf entfernt hat.

3. Da das allgemeine Risiko seinen Arbeitsplatz zu verlieren in der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht mitversichert ist, müssen die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt und die sich darauf gründende Chance auf den Erhalt einer neuen Arbeitsstelle jedenfalls dann unberücksichtigt bleiben, wenn der VN im Falle einer konkreten Verweisung die seine Lebensstellung prägende Verweisungstätigkeit nach zweieinhalb Jahren infolge nicht krankheitsbedingter Kündigung verloren hat.

4. Eine konkrete Verweisung eines als stellvertretender Werkstattleiter eines Logistikzentrums tätigen Arbeiters auf eine im Angestelltenverhältnis ausgeübte Tätigkeit als Ausgangsexpedient im Bereich Transport dieses Logistikzentrums kann die bisherige Lebensstellung wahren (hier bejaht).

 

Normenkette

BB-BUZ § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 22.10.2015; Aktenzeichen 2 O 32/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 22.10.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung auf Zahlung aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Anspruch.

Mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 6.10.2011 haben die Parteien vereinbart, dass die bestehende Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bis zum 31.10.2025 fortdauern soll. Die Leistung im Rentenfall soll monatlich 1.049,70 EUR betragen. Der monatlich vom Kläger zu leistende Beitrag beläuft sich auf 168,80 EUR. Gemäß § 2 I der besonderen Versicherungsbedingungen (kurz: BB-BUZ) haben die Parteien außerdem folgende Vereinbarung getroffen: "...Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht." Hierzu hat sich der Versicherer in § 5 Abs. 2 BB-BUZ folgendes Vorgehen ausbedungen:"... Wir können ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Frage aussprechen, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit im Sinne des § 2 ausüben kann."

Der am 9.2.1971 geborene Kläger ist gelernter Energieelektroniker. Er hat seine dreijährige Ausbildung mit der Fachrichtung "Anlagentechnik" im Zeitraum von 1992 bis 1995 bei der Deutschen Bahn absolviert. Anschließend war er bis 1999 bei der Bundeswehr als Kommunikationselektroniker tätig. Nach einer halbjährigen Weiterbildung zum Systemelektroniker war er von 1999 bis 2003 bei einem EDV-Servicecenter angestellt. Dort hat er Computer eingerichtet, Drucker und Kopierer gewartet, sowie Diktiergeräte instandgesetzt. Anschließend war er in der Zeit von 2003 bis 2009 für die Dauer von rund 6 Jahren als Wachmann im Sicherheitsdienst tätig. Dort hat er Aufgaben als Pförtner, Nachtwächter und Rundgänger wahrgenommen. Ab dem Jahr 2009 war er für die Firma D in einem Logistikzentrum als Haustechniker tätig. Dort ist er in der Folgezeit zum stellvertretenden Werkstattleiter aufgestiegen. Zu seinem Anforderungsprofil gehörte eine abgeschlossene Ausbildung der Elektrotechnik. Er war dort zuständig für allgemeine Wartungen, für kleinere Reparaturen und für die Kontrolle größerer Reparaturen der Anlagen durch Fremdfirmen. Hinsichtlich Art und Umfang der von ihm zu erledigenden Aufgaben hatte er eine - im Wesentlichen - eigenständige Entscheidungsbefugnis. Außerdem war er weisungsbefugt gegenüber 8 Aushilfen und 1 Angestellten. Er hat an Schulungen und Lehrgängen teilgenommen. Sein Monatsgehalt betrug 2.083,65 EUR brutto durchschnittlich, zuzüglich einer Zulage i.H.v. 200 EUR für den Bereitschaftsdienst.

Im Zeitraum von Dezember 2011 bis Dezember 2012 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt wegen Diverkulitis mit der Notwendigkeit der Durchführung...

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