Leitsatz (amtlich)

1. Der gerichtlich beauftragte medizinische Sachverständige ist berechtigt, die körperliche Untersuchung einer Partei von der Unterzeichnung einer schriftlichen Bestätigung über eine erfolgte Risikoaufklärung abhängig zu machen.

2. Verweigert die Partei die Abgabe einer solchen Erklärung, so ist ihr zur Beseitigung dieses Hindernisses eine Frist gem. § 356 ZPO zu setzen.

3. Im Falle fruchtlosen Fristablaufs kommt auch die Einholung eines Gutachtens ohne körperliche Untersuchung der Partei nur aufgrund der in der Akte befindlichen Arztberichte und medizinischen Unterlagen in Betracht. Das Fehlen zusätzlicher Erkenntnisse aus einer Untersuchung geht im Zweifel zu Lasten der sich weigernden beweispflichtigen Partei.

 

Normenkette

ZPO §§ 356, 402 ff.

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Urteil vom 27.08.2002; Aktenzeichen 9 O 81/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das am 27.8.2002 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Hagen und das zugrunde liegende Verfahren aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Insoweit wird das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls. Wegen der von der Klägerin behaupteten Verletzungen und der im Einzelnen geltend gemachten Ansprüche sowie der zum Unfallhergang getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Zur Aufklärung der Unfallbedingtheit der geltend gemachten Verletzungen sowie der noch bestehenden Beschwerden hat das LG die Einholung eines interdisziplinären Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Ing. S. und Prof. Dr. C. angeordnet. Nachdem der technische Teil des Gutachtens von Dipl.-Ing. S. erstellt wurde, ist es in dem vom Sachverständigen Prof. C. anberaumten Untersuchungstermin nicht zur Untersuchung der Klägerin gekommen, nachdem diese es ablehnte, einen vom Sachverständigen vorgelegten Einwilligungsbogen zu unterzeichnen. Noch am selben Tage erklärte sie dem Sachverständigen, dass sie ihn unter die ärztliche Schweigepflicht nehme und ohne ihre ausdrückliche Einwilligung vom Institut keinerlei Erklärung, egal an wen, gehen dürfe. Im folgenden Verhandlungstermin vor der Kammer hat die Klägerin u.a. angegeben, sie habe sich das Aufklärungsschreiben, das sie unterschreiben sollte, nicht durchgelesen; Prof. C. habe aber erklärt, er wolle, den Richter anrufen und ein Gutachten gegen sie erstatten, falls sie die vorgelegte Erklärung nicht unterschreibe. Wegen weiterer Einzelheiten im Zusammenhang mit der von der Klägerin abgelehnten Unterzeichnung der Erklärung wird ebenfalls auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Durch dieses Urteil hat das LG der Klägerin restlichen Schadensersatz für den Fahrzeugschaden zugesprochen, die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Personenschäden aber wegen Beweisfälligkeit der Klägerin für die behaupteten Verletzungen und deren Unfallbedingtheit abgewiesen. Sie habe die Einholung des Gutachtens vereitelt, indem sie die Untersuchung beim gerichtlich bestellten Sachverständigen verweigert, aber keine Umstände vorgetragen habe, die die Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. C. als unzumutbar erscheinen ließen, und indem sie diesen nicht von seiner Schweigepflicht entbunden habe. Die im Verhandlungstermin behauptete Äußerung des Sachverständigen hätte zwar die Besorgnis der Befangenheit begründen können; jedoch sei ein solcher Antrag nicht gestellt worden und der Einwand auch nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO deutlich verspätet vorgebracht worden.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der Klägerin verfolgt die Klägerin die abgewiesenen Anträge weiter, begehrt allerdings in erster Linie Aufhebung und Zurückverweisung, weil die Kammer im wahrsten Sinne des Wortes „kurzen Prozess” gemacht, ihren Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt und zahlreiche und gravierende Verfahrensverstöße begangen habe.

Im Einzelnen macht die Klägerin geltend:

1. Erst durch die Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen P.) habe sich ergeben, dass der Beklagte zu 1) vor dem Unfall nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten habe. Das LG habe es entgegen § 279 Abs. 3 ZPO versäumt, nach Beweisaufnahme erneut in eine Erörterung mit den Parteien einzutreten. Da das Protokoll hierzu schweige, sei von einer Verletzung der Vorschrift auszugehen. Hätte das LG erneut erörtert, so hätte sie darauf hingewiesen, dass ihr bisheriges Vorbringen für den Ursachenzusammenhang zwischen konkretem Haftungsgrund und weiterem Schaden ausreiche. Wäre das Gericht bei seiner Auffassung der Erforderlichkeit einer weiteren Begutachtung geblieben, so wäre sie bereit gewesen, sich von einem anderen Gutachter untersuchen zu lassen. Wäre das LG dabei geblieben, dass eine Begutachtung durch Prof. C. erforderlich sei, so hätte sie auf ihre Bedenken hingewiesen und um Beauftragung eines ande...

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