Leitsatz (amtlich)

1. § 114 Abs. 2 AktG findet auch auf Aufsichtsratsmitglieder Anwendung, deren Bestellung fehlerhaft erfolgt war. Erfasst werden auch Verträge mit dem Aufsichtsratsmitglied, die vor Beginn seiner Amtstätigkeit geschlossen wurden.

2. Die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Verträgen i.S. v. § 114 Abs. 1 AktG mit einem Aufsichtsratsmitglied ist nicht deswegen entbehrlich, weil an dem Vertragsschluss ein Vertretungsorgan der Alleingesellschafterin mitgewirkt hat.

3. § 114 AktG ist auch auf einem Aufsichtsratsmitglied nahestehende Personen anwendbar. Hierzu zählen in entsprechender Anwendung von § 115 Abs. 3 AktG auch juristische Personen, deren gesetzlicher Vertreter das Aufsichtsratsmitglied ist. Sind einer von dem Aufsichtsratsmitglied vertretenen Gesellschaft unter Verstoß gegen § 114 Abs. 1 AktG Vergütungen gewährt worden, ist ungeachtet eines evtl. Anspruchs der Aktiengesellschaft gegen die juristische Person aus ungerechtfertigter Bereicherung auch das Aufsichtsratsmitglied zur Rückzahlung verpflichtet.

4. Sieht der im Rahmen einer Ausgliederung und Übertragung nach §§ 123, 131 UmwG erstellte Spaltungsplan vor, dass der gesamte Geschäftsbetrieb mit allen Aktiva und Passiva auf die neu gegründete Gesellschaft übertragen wird, während lediglich die von der übertragenden Gesellschaft gehaltenen eigenen Aktien bei dieser verbleiben, ist der Plan dahin auszulegen, dass von der Übertragung auch - seinerzeit nicht bedachte - Ansprüche nach § 114 Abs. 2 AktG erfasst werden. Das gilt auch dann, wenn der Spaltungsplan die auszugliedernden Vermögensteile nach einzelnen Kategorien näher benennt und der in Rede stehende Anspruch dabei nicht aufgeführt wird.

 

Normenkette

AktG §§ 113, 114 Abs. 1-2, § 115 Abs. 3; BGB §§ 133, 157, 195, 199; UmwG § 123 Abs. 3, § 131 Abs. 1 S. 1, § 202 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 44 O 79/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.04.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Essen abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 423.033,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 19.01.2016 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A) I. 1. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Rückgewähr von Vergütungen, die dieser als Mitglied des Aufsichtsrats der und aufgrund von Verträgen mit der E H AG (im Folgenden: E AG "alt") und der E H AG (im Folgenden: E AG "neu") erhalten hat, nach § 114 Abs. 2 S. 2 AktG aus übergegangenem Recht.

Nach ihrem - vom Beklagten bestrittenen Vortrag - ist die Klägerin in folgenden Schritten aus der E AG "alt" hervorgegangen. Mit notarieller Urkunde vom 13.12.2007 hat die E AG "alt" ihr gesamtes Vermögen mit Ausnahme nur eines Pakets von 10 % eigener Aktien im Wege der Ausgliederung durch Neugründung gem. § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG auf die Zweite E C GmbH (im Folgenden: 2. E GmbH) übertragen. Diese wurde am 17.4.2008 umgewandelt in die E H AG (im Folgenden: E AG "neu"). Die E AG "neu" wurde am 5.12.2012 umfirmiert in I H AG (im Folgenden: I AG), die schließlich 2014 umgewandelt wurde in die I H GmbH (im Folgenden: I GmbH oder Klägerin).

Die nach der Ausgliederung zunächst fortbestehende E AG "alt" wurde 2008 formwechselnd in die G GmbH (G GmbH) umgewandelt.

Im Spaltungsplan der E AG "alt" vom 13.12.2007 (eBl. 528) ist u.a. Folgendes vorgesehen:

"Die E H Aktiengesellschaft beabsichtigt, im Wege der Ausgliederung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG Teile ihres Vermögens, nämlich den gesamten Geschäftsbetrieb mit allen Aktiva und Passiva, auf die von ihr neu zu gründende Zweite E C GmbH zu übertragen, jedoch mit Ausnahme der vorerwähnten [sc. 31.000] eigenen Aktien. Diese sind mithin nicht Gegenstand des nachfolgend übertragenen Vermögens.

1. Ausgliederung und Vermögensübertragung

§ 1 Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG

Die E H Aktiengesellschaft gliedert aus ihrem Vermögen Teile, nämlich

  • die sich aus der als Anlage 1 beigefügten Ausgliederungsbilanz (zugleich Eröffnungsbilanz vom 01.12.2007) ergebenden Aktiva und Passiva, insbesondere
  • Versicherungsverträge gemäß der als Anlage 2 beigefügten Vertragsübersicht,
  • Anlagegüter gemäß des als Anlage beigefügten Inventarverzeichnisses,
  • Miet- und Leasingverträge gemäß der als Anlage 4 beigefügten Aufstellung,
  • Mitarbeiterverträge gemäß Anlage 5,
  • Gewerbliche Schutzrechte/Patente gemäß Anlage 6,
  • Haftungsverhältnisse gemäß Anlage 7,
  • Sonstige Vertragsbeziehungen gemäß Anlagen 8 und 9,
  • Sonstiges zum Geschäftsbetrieb gehörendes, nicht bilanziertes Anlagevermögen,

gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG aus, und zwar durch Übertragung dieser Teile ihres Vermögens als Gesam...

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