Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtverletzung bei tierärztlichem Behandlungsvertrag („Schweinepest”)

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 12.03.2002; Aktenzeichen 2 O 53/00)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.3.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Paderborn – unter Zurückweisung der Berufung i.Ü. – teilweise abgeändert und neu gefasst.

Die Klage mit dem Klageantrag zu 1) ist betreffend folgender landwirtschaftlicher Betriebe dem Grunde nach gerechtfertigt: Nr. 1.–32

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen zu 78 % das klagende Land und zu 22 % der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Das klagende Land macht Schadensersatzansprüche aus übergegangenen Recht geltend wegen Entschädigungszahlungen, die es im Zusammenhang mit der Ende 1996/Anfang 1997 grassierenden Schweinepest erbracht hat.

Die Seuche nahm ihren Ausgang auf dem Hof C. in E. Dieser Landwirt hatte ohne Erlaubnis und ohne diese zu erhitzen, Speiseabfälle an seine Schweine verfüttert, die er von dem inzwischen verstorbenen Entenmäster L4 bekommen hatte. Ende November/Anfang Dezember kam es auf dem Hof C. zu einem massiven Schweinesterben. Vom Hof C. wurden mehr als 100 tote Schweine zum Standort des Entenmästers L4 verbracht und dort vergraben. Im Dezember 1996 war es vermehrt zu Erkrankungen im Schweinebestand des Landwirts L8 gekommen, dessen Betrieb etwa 50 m von dem Hof C. entfernt liegt. Der Schweinebestand des Landwirts L8 wurde zunächst von dem Tierarzt Dr. N4 betreut. Da die von Dr. N4 eingeleiteten Therapiemaßnahmen nicht zu Besserungen im erkrankten Bestand führten, wandte sich der Landwirt L8 am 23.12.1996 an den Beklagten. Auf dem Betrieb L8 waren bereits vermehrt Schweine verendet. Der Beklagte untersuchte die Tiere und öffnete zur Diagnose zwei Kadaver auf dem Betrieb. Er stellte die Diagnose: Glässer'sche Krankheit, Mycoplasmenpneunomie sowie Degenerationssyndrom. Trotz massiver Therapie durch den Beklagten und seine Mitarbeiter stellte sich keine durchgreifende Besserung ein. Bis zum 24.12.1996 waren über 20 Schweine verendet. Auch in den folgenden Tagen starben auf diesem Betrieb vermehrt Schweine. Nach einem beratenden Gespräch mit dem Tierarzt Dr. M4 veranlasste der Beklagte am 2.1.1997 die serologische Untersuchung von 2 zu diagnostischen Zwecken getöteten Tieren, bei denen das Schweinepestvirus des Typs China I festgestellt wurde.

In der Zeit vom 24.12.1996 bis zum 2.1.1997 und zum Teil noch darüber hinaus kontaktierte der Beklagte die Betriebe C3, G3, Q., U., T3, C6 und S3. In den genannten Betrieben wurden in der Folgezeit das Schweinepestvirus festgestellt und die Bestände gekeult. Vom Betrieb U. erfolgte am 7.1.1997 eine Ferkellieferung an den Betrieb L5, wo in der Folgezeit die Schweinepest ausbrach. Die Bestände dieses Betriebes und die Bestände der in der 1.000 m-Umgebung gelegenen Betriebe wurden ebenfalls gekeult.

Im Zusammenhang mit dem Seuchengeschehen entschädigte das klagende Land im Kreis Paderborn insgesamt 78 Landwirte. Diese sind in der Klageschrift im Einzelnen aufgeführt. Das klagende Land hat den Beklagten für die Entschädigung dieser 78 Betriebe mit einem Betrag von 5.407.905,89 DM (= 2.765.018,40 Euro) sowie auf Feststellung der Verpflichtung in Bezug auf die Schadensersatzpflicht weiterer Landwirte in den Kreisen Paderborn, Soest, Gütersloh und Warendorf in Anspruch genommen. Das klagende Land hat behauptet, der Beklagte habe durch sein Verhalten zur Verbreitung der Schweinepest beigetragen. Bei sachgemäßem Vorgehen hätte der Beklagte bereits am 23.12.1996 die Verdachtsdiagnose Schweinepest erwägen müssen, da die Tiere an typischen Anzeichen, die auf Schweinepest hindeuteten, gelitten hätten. Das klagende Land behauptet weiter, für weiter gekeulte Bestände in den Kreisen Paderborn, Soest, Gütersloh und Warendorf insgesamt 7,5 Mio. DM aufgewandt zu haben. Es seien die Schweine auf weiteren 102 Betrieben gekeult worden. Der Beklagte bestreitet, zur Verbreitung der Schweinepest beigetragen zu haben. Er bestreitet, nach dem 2.1.1997 andere Betriebe noch ohne Schutzkleidung besucht zu haben. Ein schuldhafter Diagnosefehler könne ihm nicht vorgeworfen werden. Die Blutuntersuchung am 2.1.1997 sei aus reiner Vorsicht erfolgt, aber nicht medizinisch indiziert gewesen. Für die Verbreitung der Schweinepest seien weitere mögliche Alternativursachen in Betracht zu ziehen. So hätten insb. die staatlichen Veterinäre die Hygienemaßnahmen bei den Blutprobeentnahmen nicht eingehalten. Den geltend gemachten Schaden hat er nach Grund und Höhe bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben.

Das LG hat dem Klageantrag zu 1) dem Grunde nach und dem Feststellungsantrag i...

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