Leitsatz (amtlich)

Adoptieren Eheleute einen infolge eines Alkoholmissbrauchs der leiblichen Mutter behinderten Säugling, ohne nach ihrer Darstellung vom zuständigen Jugendamt über den Alkoholmissbrauch und dessen Folgen aufgeklärt zu werden, verjährt ein möglicher Amtshaftungsanspruch innerhalb von drei Jahren, nachdem die Eheleute Kenntnis vom Alkoholkonsum der leiblichen Mutter in der Schwangerschaft und der Ursächlichkeit dieses Alkoholkonsums für die körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen ihrer Adoptivtochter erhalten haben.

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 13.07.2012)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 13.7.2012 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen im Wege der Amtshaftung von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit der Beratung und Vermittlung der von ihnen mit Beschluss des AG Soest vom 24.1.1991 adoptierten Tochter I Q.

I ist am 5.11.1989 geboren worden, wobei ihre leibliche Mutter während der Schwangerschaft regelmäßig Alkohol konsumiert hatte. Im Alter von 9 Wochen wurde I den insoweit interessierten Klägern zur Adoption vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang fand am 10.1.1990 ein Beratungsgespräch zwischen den Klägern und Mitarbeitern des Jugendamtes der Beklagten, u.a. Frau O, statt, dessen Inhalt streitig ist.

Nachdem bei I bereits 1995/1996 Entwicklungsrückstände und eine auditive Wahrnehmungsstörung diagnostiziert worden waren, stellte das Versorgungsamt Soest mit Bescheid vom 20.7.2004 einen Grad der Behinderung von 20 % fest.

Unter dem 14.10.2007 beantragten die Kläger die Einrichtung einer Betreuung für I und machten zur Begründung u.a. geltend, I gefährde sich durch ihr behinderungsbedingtes Fehlverhalten selbst und sie sei nicht geschäftsfähig, wobei diese Beeinträchtigungen nach ihrem - der Kläger - derzeitigem Kenntnisstand auf Alkoholmissbrauch der Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen sei (Fetales Alkohol Syndrom/FAS).

I wurde daraufhin von verschiedenen Ärzten untersucht, die in Gutachten vom 30.10.2007 (Prof. Dr. T2), 13.11.2007 (Dr. N) und 5.12.2007 (Dr. G) übereinstimmend zu dem Ergebnis kamen, dass bei I ein Fetales Alkoholsyndrom vorliegt. Im Anschluss daran stellte das Versorgungsamt Soest mit Bescheid vom 22.1.2008 einen Grad der Behinderung von nunmehr 70 % fest und die Kläger wurden vom AG Soest zu Betreuern für I bestellt.

Die Kläger haben mit ihrer am 27.12.2011 eingegangenen und der Beklagten am 19.1.2012 zugestellten Klage Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von entgangenen Einkünften der Klägerin zu 1) in der Zeit von Februar 1990 bis Juli 2011 in errechneter Höhe von 259.484,18 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden aus Ansprüchen auf Unterhalt und aus sonstigen Gründen und Kosten für I sowie deren etwaige Abkömmlinge verlangt.

Sie werfen der Mitarbeiterin O des Jugendamtes der Beklagten vor, sie über den Alkoholkonsum der leiblichen Mutter während der Schwangerschaft nicht hinreichend aufgeklärt zu haben und auch nicht darauf hingewiesen zu haben, dass ein solcher Alkoholkonsum zu einem Krankheitsbild im Erwachsenenalter führen könne, obwohl ihr das bekannt gewesen sei oder jedenfalls hätte bekannt sein müssen. Zudem habe auch eine Pflicht zur Ermittlung einer möglichen Alkoholschädigung des Kindes bestanden. Bei Kenntnis vom Risiko einer Behinderung des Kindes hätten sie von einer Adoption abgesehen.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt, weil ihnen die konkreten Konsequenzen der angeborenen Alkoholschädigung, die Endgültigkeit der Behinderung und die geringe Zugänglichkeit des FAS-Krankheitsbildes für medizinische und therapeutische Maßnahmen bei I bei der erstmaligen Diagnose von FAS im Jahre 2007 noch nicht bekannt gewesen seien.

Die Beklagte hat eine unzureichende Aufklärung und eine Pflicht zur Abklärung möglicher künftiger Behinderungen des Kindes vor der Adoption in Abrede gestellt, den geltend gemachten Schaden bestritten und sich auf Verjährung berufen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Beklagte eine den Klägern gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt habe. Ansprüche seien jedenfalls mit Ablauf des 31.12.2010 verjährt. Die Kläger hätten von den den geltend gemachten Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners vor dem 31.12.2007 Kenntnis erlangt. Bereits 1996 hätten die Kläger gewusst, dass ihr Kind dem Alkoholmissbrauch der Kind...

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